Eine kleine FAQ. Wird gelegentlich erweitert.
„Divers“ bedeutet ins deutsche übersetzt ja eigentlich nichts anderes als „anders“ oder „verschiedenes“. Wo bitte ist das Problem?
Das Problem ist tatsächlich, durch die Bezeichnung noch mal ausgegrenzt zu werden. „Andere“, „sonstige“, „unter ferner liefen“. Fremd, seltsam, aussen vor. Also nicht inklusiv. Mag sprachlich spitzfindig aussehen, aber es geht bei der ganzen Sache um Anerkennung, Teilhabe, etc. Die Verfassungsbeschwerde zur dritten Option hatte ja das Ziel eines _positiven_ nicht-binären Geschlechtseintrags statt des „Nichts“, dass seit 2013 in der vierten Option – Streichung – steckt.
Angenommen ich habe in meinem Ausweis dieses „3. Geschlecht“ eingetragen, wer sieht das denn außer vielleicht der Polizei, wenn ich mal z.B. die erlaubte Geschwindigkeit übertreten habe?
Fun fact: Im Perso steht es nicht und auf der Fahrerlaubnis auch nicht. Nur im Reisepass („X“). D.h. ich habe ausser der neuen Geburtsurkunde (und meiner Gesundheitskarte) kein offizielles Dokument, um meinen „divers“ Eintrag nachzuweisen. Deshalb habe ich immer noch den dgti Ergänzungsausweis dabei.
Es wurde mir bisher auch immer so geglaubt. Ich muss es aber immer sagen, denn die meisten Menschen kommen nicht mal auf die Idee, dass die Person ihnen gegenüber nicht-binär sein könnte, sondern gehen nach den erlernten Gendersignalen.
Die Zahlen sind missweisend
Bei den Zahlen sind aber die offiziellen „divers“-Einträge missweisend. Das liegt an mehreren Gesetzen, unzureichenden Ressourcen und persönlichen Befürchtungen.
Erstens wollen sich viele inter Personen trotz ihres inneren Gefühls, wegen ihrer traumatischen Erfahrungen mit medizinischem und amtlichem System nicht durch einen offiziellen Eintrag noch mal auffindbar und potenziell angreifbar machen. Vergleiche mal, wie viele trans Personen nach ihrer Transition sich offensiv als trans outen. Es sind auch nicht alle inter Personen nicht-binär.
Zweitens haben viele nicht-binäre Personen aktuell praktisch keine Möglichkeit, den Eintrag zu erhalten, weil sie nicht inter sind. Die Problematik mit fehlenden oder unzureichenden Therapeutys, Gutachtys, sowie mit Kassen und MDK sind ungleich größer, wenn ein sich nicht binär einordnet.
Es ist aber bekannt, dass alleine von den Personen, die sich irgendwie bei Therapeutys wegen trans vorstellen, sich >30% als nicht-binär verorten (sagt die S3 Leitlinie, Stand um 2014, weltweit ziemlich einheitlich). Das wären mindestens 500 neue pro Jahr (bei 1700 GaOP/Jahr in D). Da nicht alle trans Personen sich operieren lassen und nicht mal alle sich bei Therapeutys melden, werden es mehr sein.
Also: inter und nicht-binär hat nicht zwingend was miteinander zu tun (sagt die Wissenschaft). Der Geschlechtseintrag soll das Geschlechtsempfinden einer Person abbilden, nicht die Körperlichkeit (sagt das Verfassungsgericht). Es gibt reichlich viel mehr nicht-binäre Personen, als offiziell den Eintrag haben oder erreichen können (wissen alle, die in der nicht-binären Community unterwegs sind).
Meine praktische Erfahrung ist, dass ich mich ständig neu outen muss. Grund siehe oben. Je nach optischer Aufmachung werde ich mit mehr oder weniger Druck binär eingeordnet, bis ich mich wehre. Und nicht mal ich habe immer die Energie dafür. Ich kenne ne Menge nicht-binäre, die sich das gar nicht trauen, sondern lieber weiter für sich leiden.