Sinans Woche brachte am 15.7. einen Youtube-Beitrag, in dem Sinan sinngemäß meinte, „wir“ (LGBTQIA+) sollten doch mal etwas entspannter sein, weil „wir“, bzw unsere Probleme, der Mehrheit doch ziemlich egal seien.
Ausserdem wähnte Sinan, dass Menschen, die Neopronomen benutzen, keine oder mehrere, sich ihrer selbst und ihrer Rolle nicht wirklich sicher seien.
Untertitel so ungefähr, die Hitze und Häufigkeit der Debatte seien ermüdend.
Ja nun…
Also abgesehen davon, dass das „der Mehrheit egal“ einigermassen stimmt, liegt Sinan reichlich falsch.
Was „den meisten Menschen“, also vor allem cis (het-bin-dya-mono-…) vermutlich nicht klar ist: Der Stress, sich als queere Person mit der nicht-queeren Mehrheit anzulegen, ist für viele von uns das kleinere Übel. Nämlich zur Alternative, im Mehrheits-System mitzuspielen.
Wenn wir nichts sagen, behandeln sie uns so, wie sie uns deuten, statt so wie es für uns leidensarm und richtig ist.
Ich bin mir meiner selbst – nonbinär, trans – sehr sicher. Vor allem, dass ich eben nicht „als Mann“ oder „als Frau“ gedeutet und dann wahlweise wie eine*r behandelt werden will, weil ich das nicht andauernd aushalte.
Das _muss_ ich immer wieder kommunizieren. Dazu _brauche_ ich Pronomen und andere Hilfsmittel wie Sternchen, sonst bleibe ich unsichtbar, werde nicht mitgedacht, was den Stress für mich wieder erhöht.
Die Vielzahl an Pronomen, die trans und nonbinäre Menschen verwenden ist ein Problem der binär durchgenderten deutschen Sprache, wo sogar der Apfel und die Birne vergeschlechtlicht werden, vor allem aber Menschen. Es gibt keine neutralen Formen, deshalb experimentieren wir.
Das heisst nicht, dass wir uns nicht sicher wären, sondern im Gegenteil, dass die Sprache für uns noch unzureichend ist. Schweden hat das „hen“ eingeführt, im englischen ist singular they/them inzwischen gebräuchlich.
Also: „Seid mal etwas entspannter“, so kam es jedenfalls rüber, ist ein hohler Rat.
Solange unsere Existenz in Frage gestellt und unsere Bedürfnisse derart ignoriert und wir effektiv durch Gewalt bedroht werden, sind wir so entspannt, wie es nur geht. Wenn „ihr“ uns einfach akzeptiert und wir uns den geringen Aufwand teilen, kommen wir prima klar und können uns den gemeinsamen Problemen widmen. Auch denen der Geschlechterungerechtigkeit.