Zu wenig Ahnung, zu viel Meinung (Hormone, Psyche, Nichtbinarität, Fluidität, plurale Menschen)

Es gab einen Forenbeitrag, weil gefragt wurde, was denn Genderfluidität eigentlich sei. Gefragt hatte eine binäre, trans Frau (btF). Jene btF hat erhebliche Schwierigkeiten, andere als binäre Identitäten nachzuvollziehen.

Insbesondere als ich einen aktuellen Artikel des Queer-Lexikon für Beispiele anführte, war es mit dem Verständnis ganz vorbei. Die Antwort bestand aus u.a. folgenden Statements (paraphrasiert wg Anonymität):

  • Da brauchen aber welche dringend Therapie
  • Was die beschreiben ist entweder normal oder klingt nach psychischen Auffälligkeiten
  • Wer sich andauernd umentscheidet hat zu viele Ideen oder ADHS
  • Hormone wegen Dysphorie zu wollen ist unverantwortlich
  • „unter Umständen irreversible Veränderungen“
  • Solche Statements sollten entsprechend kommentiert werden, sonst macht das noch jemand nach
  • Es sollte immer professionelle Hilfe geben
  • Sich andauernd mit sich selbst zu beschäftigen ist doch krank, traumatisiert
  • Leute müssen vor sich beschützt werden, sonst machen sie Fehler und begehen Suizid

Das ist natürlich wirklich arg. Deshalb habe ich ausführlich geantwortet:


So sehr ich deinen Wunsch nach Fürsorge und fachlicher Unterstützung für trans Personen und Menschen mit psychischen Problemen schätze, schiesst du hier nach meiner Erfahrung(1) erheblich über das Ziel und die Realität hinaus.

Es erinnert mich ein wenig an einen Freund, studierter Mediziner aber nach dem praktischen Jahr in der Klinik abgebrochen. Er hatte viel gesehen und gelernt und war in BDSM Kreisen berüchtigt für seine Sicherheits-Regeln, mit einer sehr festen Meinung, was geht und was nicht – und zwar generell und für alle. Ein anderer Mediziner-Freund mit jahrelanger Berufspraxis kommentierte damals: „Er hat gelernt, woran Menschen alles sterben können, aber noch nicht die Erfahrung, was Menschen alles überleben“.

Also tl;dr es ist in der Praxis eigentlich nicht so dramatisch, wie du es dir offenbar ausmalst. Dafür ist häufig anderes schlimm.

Thema Hormone

Erst mal: Bei Hormonen kannst du rein körperlich-medizinisch fast nichts kaputt machen. Die Risiken für echten Schaden sind gering, ebenso die Quoten und treten idR langsam beginnend und nach Monaten oder Jahren falscher Medikation auf, und quasi nie bei den körperidentischen Hormonen in gängiger Dosierung.

Hint: Jeweils eine Hälfte der cis Bevölkerung lebt mit dem jeweiligen Hormon ziemlich gut. Das sind schon mal ca. 96% der Menschheit. Ca. 80-90% der trans Bevölkerung(2), ca. 1-3% absolut, wollen genau die „unter Umständen irreversiblen Veränderungen“. Die anderen wollen keine HET.

Ich kenne keine trans Person, siehe (1), die sich keine Gedanken gemacht hätte, was eine HET körperlich bewirkt. Im Gegenteil sind die meisten Fragen genau danach wann, was, wie viel. Zu den anderen Folgen weiter unten.

Den meisten Körpern ist es ziemlich egal, ob sie auf Estradiol oder Testosteron laufen. Die Hauptaufgaben bei Knochenbau, Blut, etc machen beide. Das bedeutet, dass eine transgeschlechtliche Hormonersatztherapie (tgHET) keine einmal-für-immer Entscheidung ist. Sie kann begonnen, moduliert, unter- oder abgebrochen werden.

Leider ist das medizinische Fachwissen zu tgHET ziemlich dünn. Die Sample für Studien sind klein, es gibt kaum Finanzierung und die Settings sind kaum vergleichbar. Noch dünner ist das Fachwissen bei den Ärztys. Auch bei den Endos. Es gibt wenige, die längere Erfahrung haben und noch weniger, die sich fortbilden.

Die meisten arbeiten einfach nach Leitlinie und Empfehlungen. Das bedeutet: Mach ne Baseline, starte mit diesen Medis (Hormon als Gel, ggf Blocker) und Dosierungen, geh nach dieser Referenztabelle, bis x ng/ml erreicht sind. Und das erst alle drei Monate, dann sechs und bei einigen sogar nur einmal pro Jahr.

Das führt regelmässig zu schlechter Betreuung. ZB zu viel Blocker und gerade im Beginn (Titrationsphase) zu wenig Estradiol. Folge: Depressive Schübe, Antriebslosigkeit etc. Und es gibt nicht wenige mit der Meinung, gerade bei transfemininen Personen die Östrogenlevel senken zu wollen. „Weil das bei cis Frauen ja auch so ist, mit der Menopause“. Das ist genauso völliger Unfug wie die „Pillenpause“.

Ach ja, die Bluttests. Die sind vor allem zur Absicherung. Zwei trans erfahrene Endos haben es mir so erklärt: Wir gehen hier eine jahrelange Verpflichtung ein. Im Leben kann alles mögliche aus allen möglichen Ursachen passieren. Die Kassen und Versicherungen gucken dann nach „Abweichungen“ vom Normal und versuchen Verantwortliche zu finden, die Schuld und Kosten übernehmen. Wenn ich die Tests nach Leitlinie mache, kann ich sagen „ich bin nicht schuld, ich hab alles nach aktuellen Vorgaben gemacht“. Funktioniert bei vielen anderen chronischen Patientys übrigens genauso.

Ansonsten kannst du nur feststellen, ob und wie viel von den Hormonen tatsächlich im Blut ankommt. Das ist aber bei „alle paar Monate“ nur ein Schnappschuss.

Fazit: tgHET ist kein Hexenwerk. Die gesundheitlichen Risiken sehr begrenzt. Die Profis haben häufig nicht mehr Ahnung als ihre Klientys und können bei individuellen Bedarfen keine angepasste Behandlung anbieten. Tatsächlich ist das Community-Wissen häufig besser und war schon etliche Mal nötig, um „Profis“ zum Update ihrer Vorgehensweise zu nötigen. Unzählige trans Personen fangen selbstbestimmt eine HET an, weil persönliche Umstände nicht zum System passen. Ich kenne viele. Allen geht es gut.

Thema Psyche

Gleichzeitig sind die emotionalen, seelischen und sozialen Folgen einer tgHET nicht zu unterschätzen. Aber auch dazu braucht es nicht unbedingt eine Therapie. Zumal – wie oben – nur die wenigsten Therapeutys wirklich Ahnung haben, wie es sich wirklich als trans lebt. Selbst wenn sie viele trans Personen auf ihrer Listen haben/hatten, sind sehr viele in cis, binären und hetero-orientierten Mustern verhaftet(3).

Trans zu sein ist keine Störung. Es lässt sich auch therapeutisch nicht beseitigen. Trans als Scheinausweg aus anderen psychologischen Gründen ist sehr selten und erledigt sich in der Regel innerhalb der eigenen Testphase. Lange bevor HET richtig einsetzt oder gar OPs passieren. Mal abgesehen davon, dass vor OPs zwingend psych. Indikationen stehen.

Der eigentliche Bedarf besteht in der Begleitung durch die Transition und im Ankommen in einem neuen Normal. Die Schwierigkeiten ist nicht trans zu sein, sondern mit der cis Umwelt und ihren Verständnismängeln für uns klar zu kommen.

Die wirkliche Begleitung findet deshalb zumeist in trans und peer Beratungen, SHGs und Online-Gruppen statt. Weil da Leute sind, die die Situationen wirklich kennen und nachvollziehen können. Siehe hier im Forum zB die Threads zum Thema „ich bin bis jetzt in einer hetero-Beziehung. Was wird da jetzt draus. Mein Partny ist doch hetero“. Auch „wann und wie oute ich mich auf der Arbeit?“, „Ab wann benutze ich die andere Toilette/Dusche?“, „dieser eine Mensch misgendert und deadnamed mich ständig“, usw. sind typische, wiederkehrende Themen überall.

Das hat aber alles nur begrenzt mit tgHET zu tun. Ein Therapiezwang ist daher ziemlich überflüssig. Aufklärung und Beratung sind prima, und informed consent nachweislich ausreichend.

Fazit: Trans Personen wissen in der Regel was sie wollen. Sie kennen normalerweise auch die Konsequenzen und stellen sich die richtigen Fragen. Leider haben die meisten „Profis“ weder die Kompetenz noch die Erfahrung und das Einfühlungsvermögen, diese Fragen qualifiziert zu beantworten. Das meiste Wissen ist in den Communities und Verbänden.

Thema Eigenverantwortung

Dann: Uns allen wird im normalen Leben ziemlich viel Eigenverantwortung zugetraut und abverlangt. Wohnung, Nahrung, Gesundheit und genug Geld, um das alles zu bezahlen. Wenn du dich nicht selbst kümmerst, tut es kaum wer anders. Es sei denn, du beeinträchtigst deren Leben. Dann wollen sie dich eher aus dem Weg haben.

Aber keinein wird dich zwangsbeschützen, wenn du einen Job annehmen willst, heiraten, ein Kind in die Welt setzen, deine Ersparnisse ausgeben, eine gefährliche Sportart machen, in der Fremdenlegion anheuern, in eine Sekte gehen oder ne Menge ungute Substanzen konsumieren.

Also warum sollte das ausgerechnet bei Menschen passieren, die eine andere Wahrnehmung von Geschlecht haben und ihr Leben deshalb anders origanisieren? Mit oder ohne HET oder anderen Massnahmen?

Woher käme das Recht dazu und wo ist der Unterschied zum früheren „Homosexuelle Menschen sind psychisch krank und müssen deshalb zwangstherapiert werden“?

Wir haben die Freiheit, auch „Dummheiten“ zu machen. Fehlentscheidungen zu treffen. Viele davon erzeugen „unter Umständen irreversible Veränderungen“; nicht nur körperlich. Diese Freiheit ist elementar wichtig für Artikel 2(1) GG: “ Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

In einer idealen Welt gäbe es zum einen leicht zugängliche und qualitativ hochwertige Information und Aufklärung zu allen Themen im Vorfeld, und zum anderen ebenso leicht zugängliche und qualitativ hochwertige Hilfe und Beratung, wenn was schief geht.

In der Realität gilt sowohl für seelische Probleme, als auch für TIN*, dass weder das Vorfeld noch die Krisen von „den Profis“ ausreichend abgedeckt wird. Der Großteil wird von ehrenamtlichen und Selbsthilfe geleistet, die häufig genug „die Profis“ auf den aktuellen Stand des Wissens und der best practices einnorden müssen.

Thema Umgang mit Vielfalt

Ich erlebe immer wieder, dass Menschen anderer Leute (Selbst)Wahrnehmung sofort und ausschliesslich auf sich anwenden, ihre eigene begrenzte Weltsicht und internen Bewertungen, und reflexartig entscheiden „oh wie schlimm, da muss eins doch was gegen tun“. Nein. Die hauptsächliche Frage ist, ob und wie die Person mit sich klar kommt. Geht es ihr gut bzw sogar besser oder empfindet sie einen Leidensdruck? (DSM: B-Kriterien)

Gute Therapeutys lernen ziemlich früh, ihren Behandlungsauftrag zu definieren. Erste Frage: Habe ich überhaupt einen? Hat die Person mich explizit gebeten, mich mit ihr und dem Thema zu beschäftigen? Nächste Frage: Was möchte diese Person verändern und habe ich möglicherweise geeignete Vorschläge und Methoden anzubieten?

Alles andere ist übergriffig und unprofessionell. Sogar möglicherweise ein Behandlungsfehler. Auch wenn es in den Fingern juckt und es doch – nach den eigenen Vorstellungen – da diese behandlungsbedürftige Baustelle gibt und so und so viel besser wäre.

Wir sollten dieses Prinzip mMn auch als nicht-Profis anwenden. Menschen sind ungeheuer vielfältig und haben unglaublich vielfältige und persönliche Weisen, mit ihrer Biografie, ihrer Umgebung und sich selbst klar zu kommen. Infinite Diversity in Infinite Combinations. Wir können ein- oder zweimal einen Vorschlag machen oder Beispiel geben, aber einmischen, unverlangte Diagnosen stellen oder Therapiebedürftigkeit zu attestieren, ohne die Menschen genau zu kennen und ohne gefragt worden zu sein ist, wie gesagt, übergriffig. Auch als nicht-Profi.

Wenn wir etwas nicht so richtig verstehen, steht vor der Beurteilung die Pflicht zur Selbstaufklärung. Bis das Thema ausreichend verstanden ist mit Fakten, Hintergründen, Motiven und erlebter Realität. Also erst mal eine Menge Fragen.

Manchmal stellen wir fest, dass bestimmte Konzepte auch nach vielen Fragen einfach ausserhalb unseres Horizonts bleiben. Geht mir mit der Stringtheorie so. Ich weiss nur, dass es sie gibt und ein paar Faktensplitter. Da enthalte ich mich jeglicher Meinung und stelle höchstens ein paar Fragen.

Manche Dinge sind so komplex und veränderlich, dass es unglaubliche viel Zeit und Aufwand braucht, sie qualifiziert zu erschliessen. Geht mir mit „dem Nah-Ost-Konflikt“ so. Das lasse ich an mir vorbei gehen. Ich muss keine Meinung haben und es ist mir den Aufwand nicht wert, mich so aufzuschlauen, dass ich tatsächlich mitreden könnte. Kurzgeschlossene Stammtischmeinunngen sind aber mE von übel.

Manches können wir verstehen, nachvollziehen, emulieren, auch wenn wir es innerlich nicht nachfühlen können; höchstens mit Analogien. Geht mir mit Religiosität so – und mit (binärem) Geschlechtsempfinden. Hier kann ich sachlich diskutieren, weil ich viel Zeugs gelesen habe. Hier traue ich mir eine Meinung zu, soweit mich das Thema persönlich betrifft. Den emotionalen Teil, den ich nicht nachempfinden kann, lasse ich bei den anderen. Ich kann ihn für sie wertschätzen, aber jedes Urteil meinerseits wäre unangebracht.

In Kurzform: Äussere dich nur zu dem, was du wirklich verstehst und zwar auf dem Level deines Verständnisses. Ansonsten höchstens Fragen, Offenheit und Lernbereitschaft.

Thema Gendefluidität und andere Formen von Nichtbinarität

Es gibt unzählige Versuche, Geschlechtsidentitäten zu systematisieren. Das einfachste ist noch das Gender Unicorn oder auch die Gender Bread Person. Die können zum Beispiel schon mal die Unterscheidung zwischen Identität, Präsentation, körperlichem und Amtsgeschlecht. Abgegrenzt von der sexuellen und romantischen Orientierung.

Das ist aber für einige Menschen nicht ausreichend. Allein die Frage, ob, wie und was überhaupt Menschen als „Geschlecht“ empfinden ist unglaublich komplex. Es spielt interne und externe Körperwahrnehmung rein, emotionale Grundstimmung, situationsabhängiges Verhalten, erlernte und erlebte Muster und die mit ihnen verknüpften positiven und negativen Gefühle, und das alles komplex verwoben mit gesellschaftlichen Konventionen, die alles und alle binär vergeschlechtlichen.

Geschlecht als nur männlich oder nur weiblich ist vollkommen unzureichend für Menschen, die sich nicht eindeutig dem einen oder anderen zuordnen können. Natürlich beschäftigen sie sich dann damit, denn alles, was emotional nicht passt bzw unzufrieden macht, wird dadurch immens wichtig. Geschlecht, Job, Familie, Beziehung, Sex.

Es ist vergleichsweise sehr einfach, in einem binären Geschlecht zu leben, trans oder nicht. Die Welt ist darauf eingerichtet, du kannst dich darin bewegen wie ein Fisch im Wasser. Es gibt unzählige Vorbilder und Vorgaben, Alltagsrituale, Strukturen und Räume, die entsprechend gelabelt sind. Die trans Hauptfrage ist, ab wann du dich traust, die andere zu benutzen und ob das klappt.

Wenn aber beim besten Willen weder das eine noch das andere passt, dann bist du erst mal auf dich selbst geworfen, dich zu beobachten, zu finden, irgendwie zu positionieren. Sprich: Im Gegensatz zu gender-binären Personen müssen wir nichtbinären an dieser Stelle sehr viel stärker über uns nachdenken. Deshalb kommen wir auch zu vielen individuellen Erkenntnissen, die binäre Menschen gar nicht benötigen.

Einige stellen fest, dass die geschlechtliche Empfindung zwischen und_oder ausserhalb von männlich und weiblich fluktuiert; genderfluid. Einige bemerken, dass die Intensität stark schwankt, also auch die Bedeutung der eigenen Wahrnehmung; genderflux. Einige finden keinen Bezug zu männlich/weiblich sondern verknüpfen ihr Gender anderswo. Zum Beispiel autigender, weil ihr neurodiverses Gehirn die Welt ganz anders wahrnimmt.

Diese Wahrnehmungen sind erst mal valide, Punkt. Es ist die ihnen bestmögliche Beschreibung dessen, was ihnen die Welt als geschlechtliche Positionierung abverlangt. Wenn cis und_oder binäre Menschen damit nichts anfangen können: Deren Problem. Deshalb sind sie noch lange nicht pathologisch oder Folge irgendwelcher behandlungsbedürftiger Störungen.

Binäre Geschlechtsidentität ist ja nun auch nicht besser erklärbar. Nur häufiger und vor allem weniger hinterfragt. Aber bisher ist noch jedes Gespräch ausgehend von der Frage „wie stellst du denn fest, dass du [dein Gender] bist?“ über biologisches und Stereotypen schlussendlich bei „ich weiss das eben“ gelandet. Also bitte nicht so überheblich.

Wer es nicht nachvollziehen kann: Es gibt Lesestoff und Möglichkeiten zu fragen. Aber Be- und Verurteilungen dürfen wir uns verbitten.

Thema plurale Menschen

Ganz wichtig: Genderfluidität und Pluralität haben erst mal nichts miteinander zu tun. Zwei ganz verschiedene Konzepte, die zufällig gemeinsam auftreten können.

Ich kenne ein paar Systeme. Also mehrere Persönlichkeiten, die sich einen Kopf und Körper teilen. Und klar, der erste Impuls ist Schizophrenie, multiple bzw dissoziative Persönlichkeitsstörung, usw.

Zum einen: In von westlicher Psychologie der Neuzeit unbelasteten Gesellschaften wird/wurde das teilweise ganz anders betrachtet. Nicht als Problem, sondern als Gabe und Bereicherung. Das macht das Leben dieser Systeme erstaunlich viel einfacher, wer hätte das gedacht *SarkasmusFähnchen*.

Heisst: Nicht alle Systeme sind behandlungsbedürftig und vor allem ist nicht „Integration“ oder die Fabrikation einer Mono-Persönlichkeit automatisch das Ziel. Erfreulicherweise kommt die aktuelle Psychologie da langsam an. Die Hauptaufgabe ist auch hier wieder Klarkommen mit sich und der Aussenwelt.

Die praktischen Fragen mal beiseite gelassen, sind Systeme faszinierend vielfältig, weil sie in vielen Aspekten variieren können. Geschlechtlich sowieso. Auch in der Orientierung. Sogar körperlich. Es gibt Berichte über Unverträglichkeiten und variable Sehstärke. Unterschiedliche Handschrift und Sprache (im Sinne von Wortwahl, Stil, Stimme, Betonung) sind häufig.

Ja, bei vielen können Traumata in der Vergangenheit gefunden werden. Aber weder sind die zwangsläufig vorhanden, noch zwangsläufig ursächlich.

Die Persönlichkeiten können sich auch „einfach so“ entwickeln. Es ist einfach etwas stärker und etwas mehr voneinander getrennt, als bei uns Monopersonen (=scheinbar nur eine Persönlichkeit). Aber wir haben auch häufig im Job, in der Familie, im Verein, im Urlaub ganz unterschiedliche Verhaltensmuster, Gefühlslagen, Auftreten usw. Viele von uns entwickeln Persönlichkeits-(An)Teile, die stark unterschiedlich und sogar widersprüchlich sind, also eigentlich schon Systeme. Nur eben nicht so ausgeprägt.

Viele von uns (Monos) reagieren reflexartig mit Anteilen, die uns gar nicht so angenehm sind, sondern Verhaltensmuster, die irgendwann mal nützlich und sinnvoll waren, heute aber eher nicht mehr. So verschieden ist das gar nicht.

Natürlich haben etliche Systeme ganz typische Probleme. Immerhin ist das eine Ein-Körper-WG, aus der eins nicht ausziehen kann. Auch eine Ein-Hirn-WG, was bedeutet, dass manchmal Persönlichkeiten nicht mitkriegen, was andere tun, denken, wollen.

Das sind aber praktische Probleme, die auch praktisch gelöst werden können. Systeme haben nicht zwangsläufig einen Leidensdruck oder wollen Teile von ihnen loswerden. Vielfach erfüllen einige auch Aufgaben, die andere oder eine „intergrierte“ Persönlichkeit nicht könnten. Oder sie bieten Empfindungen, die nur innerhalb dieser Persönlichkeit möglich sind.

Kurz: Systeme können sich als bereichert empfinden. Auch wenn es uns Monos schwer fällt, das nachzuvollziehen. Heck, ich hab schon Schwierigkeiten eine physische WG als Bereicherung zu empfinden! Aber das ist unser Problem. Nicht per se behandlungsbedürftig.


Gesamt-tl;dr: Nicht so voreilig mit Diagnosen und Behandlungsbedarf. Nicht so übergriffig mit Ratschlägen und Meinungen. Auch wenn die eigenen Erlebnisse belasten und eins andere schützen und bewahren möchte. Die meisten Menschen wissen, was sie wollen und brauchen. Und wenn nicht, dann sind sie in der Regel auf der Suche und brauchen keine Bevormundung. Die meisten Probleme sind nicht so dramatisch, wie sie aussehen. Und die meisten Lösungen sind nicht so einfach, wie sie scheinen.


(1) Disclaimer: Meine Erfahrung beruht auf Beratung und Moderation, die ich in mehreren SHG für trans und nichtbinäre Menschen mache, ausserdem in Online-Selbsthilfeforen. Ich habe etliche Menschen in der Transition begleitet, die von einer dreistelligen Zahl beobachtet und bin in einigen Fachgruppen zu trans Themen. Ausserdem lese ich unheimlich gerne Studien und Fachbücher zum Thema.

(2) Zwei Drittel der trans Bevölkerung sieht sich binär trans. Die meisten möchten eine HET wenigstens beginnen und dann sehen. Ein Drittel ist nichtbinär, da wird häufig sehr lange gehadert, welche Effekte eins eigentlich will und braucht und ob und wie das hormonell oder anders geht.

(3) Ich habe ein paar Konferenzen für Therapeutys erlebt, und selbst bei den speziell auf TIN* ausgerichteten war das Level der „Profis“ an Unverständnis, Vorurteilen und auf cis/bin/het basierenden Projektionen in der Regeln unglaublich fern von der Realität ihrer Klientys.

Selbstbestimmungsgesetz nutzen: Die Konsequenzen

Eine Übersicht für alle, aber insbsondere für cis Menschen, die sich gar nicht auskennen.

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) können alle(1) Menschen ihren amtlichen Geschlechtseintrag und Vornamen durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern lassen.

Einige Menschen möchten das SBGG vielleicht nutzen, um ihre ungeliebten Vornamen zu ändern. Andere spielen mit dem Gedanken, „einfach so“ ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Rein praktisch ist das wohl möglich.

Aber!

Ich empfehle stark, sich vorher gut mit den Nebenbedingungen und Konsequenzen zu befassen. Einige habe ich im folgenden aufgelistet. Die Liste ist bestimmt nicht vollständig.

Bedenke: Trans, inter und_oder nichtbinäre Menschen nehmen diese Dinge in Kauf, weil dies für sie trotz all dieser Konsequenzen immer noch besser ist, als die alte amtliche Identität weiter auszuhalten.

#0 Die Erklärung, dass der bisherige Geschlechtseintrag nicht der persönlichen Identität entspricht.
Dies muss „versichert“ werden und kommt einem Eid nahe. Klingt ein bisschen banal, aber Ämter verstehen bei sowas keinen Spass. Deshalb wird bei der Erklärung auch eine Prozedur wie beim Kauf eines Hauses abgehalten; mit vorlesen der Erklärung, Nachfrage, ob das alles verstanden wurde und korrekt ist und dann der Unterschrift. Ab Unterschrift ist das dann für mindestens ein Jahr fest, währenddessen die Änderung durch alle Behörden weitergereicht wird.

#1 Mit dem Eintrag müssen auch die Vornamen neu bestimmt werden.
Laut SBGG sollen sie zum neuen Geschlechtseintrag „passen“. Wer zB auf „weiblich“ ändert muss „weibliche“ Vornamen wählen. Selbst für „divers“ und „ohne Eintrag“ sollen die Namen „irgendwie geschlechtsneutral“ sein(2).
Die wenigsten Menschen werden daher bei einem Wechsel ihre Namen behalten können.
Denke dran, dass du mit der Zeit überall unter deinen neuen Namen geführt werden wirst, wo auch nur entfernt Behörden o.ä. beteiligt sind, oder du dich mit Perso o.ä. identifizieren musst (sogar Post, DHL, usw).

#2 Alle Ausweise und Dokumente sind ab sofort ungültig.
Perso, Führerschein, Reisepass, Bankkonten, Bahncard, usw. Alles, was die offizielle Identität enthält. Dein alter Name existiert amtlich nicht mehr und jede Überprüfung kann Probleme erzeugen. Je länger nach der Änderung, desto mehr(3).
Jede Unstimmigkeit zwischen früherer und neuer Identität erzeugt Diskussionen, benötigt Erklärungen, Nachweise, Zeit und Probleme.
Zum Beispiel bei Polizeikontrollen: Die Abfrage deines alten Perso kann fehlschlagen, als ob er gefälscht wäre. Einen (inzwischen) ungültigen Perso zu benutzen ist eine Ordnungswidrigkeit mit Bussgeld.
Dein Deutschland-Ticket, Monatskarte, etc sind personalisiert. Mit neuem Perso müssen die auch geändert werden.
Banken und die Finanzaufsicht verstehen keinen Spass bei den Kontodaten: Geldwäschegesetz. Kontostammdaten und alle Karten müssen daher so schnell wie möglich erneuert werden.
Es kommt immer wieder vor, dass Kassenpersonal den Namen auf der Karte liest und der Ansicht ist, dass diese Karte nicht dir gehören kann – weil ihrer Ansicht nach Name und Aussehen nicht zusammenpassen. Dann brauchst du auf jeden Fall einen gültigen Perso.
Deine Zeugnisse passen auch nicht mehr zum neuen Namen. Falls du sie noch mal brauchst, zum Beispiel für Bewerbungen, solltest du sie umschreiben lassen.

#3 Outing in Job und Firma – und die Rentenversicherung.
Deine Firma überweist Steuern und Beiträge an Renten-, Kranken-, und Arbeitslosenversicherung. Dabei muss der gültige amtliche Name verwendet werden – und der Geschlechtseintrag dient vielfach als Prüfmerkmal. Die Personalabteilung deiner Firma muss deshalb den Namen offiziell ändern.
Weil Firmen häufig nur einen Namen pro Person pflegen können, heisst das in der Regel auch: Neue Mailadresse, usw. Stelle dich auf ein ziemliches Durcheinander in der Übergangszeit ein.
Falls dein alter oder neuer Eintrag „männlich“ war/ist, bekommst du von der Rentenversicherung automatisch eine neue Nummer, die deine Firma auch erfahren muss.

#4 Krankenkasse und Gesundheitssystem.
Als Arbeitnehmer*in musst du deine Kasse über den neuen Namen (und Geschlechtseintrag) informieren, sonst gibt es irgendwann Probleme mit den Beiträgen. Du bekommt eine neue Karte – die wiederum zu deinem Perso passen sollte.
Auf der Karte steht dein neuer Geschlechtseintrag. In Praxen und Kliniken wird der häufig für die Anrede und die Einsortierung auf Stationen verwendet. Praxis- und Labor-EDV nimmt den Eintrag häufig für Referenztabellen, ob Blutwerte okay sind.
Mit einem „X“ für „divers“ oder „ohne Eintrag“ bist du quasi überall Sonderfall.
Mit dem Geschlechtseintrag ändern sich auch die Einladungen zu geschlechtsabhängigen Vorsorgeuntersuchungen. Leistungen, die für dein amtliches Geschlecht „nicht vorgesehen“ sind, must du einzeln einfordern. Trans Personen schlagen sich regelmässig mit dem Medizinischen Dienst und von ihm angeforderten Gutachten herum.

#5 Fahrzeuge und (Grund)Eigentum.
Eigentum an Fahrzeugen („Brief“) oder Wohnung, Haus, Grundstück, etc. hängt an der amtlichen Identität und müssen also alle umgeschrieben werden. Gerade bei Immobilien guckt der Staat wegen Geldwäsche u.ä. besonders gut hin.
Falls du dein Auto offiziell verkaufen möchtest, wird zB ein Autohaus Kfz-Brief und Perso prüfen, ob es tatsächlich dir gehört.

#6 Reisen, Reisepass.
Der neue Reisepass enthält – als so ziemlich einziges amtliches Dokument – deinen neuen Geschlechtseintrag. Dies kann bei der „Sichtkontrolle“ an fremden Grenzen zu Irritationen führen, wenn dein Aussehen für die Amtsperson nicht „passt“. Mögliche Folge: Detaillierte Personenkontrolle und damit unkalkulierbare Wartezeiten an Grenzen oder Flughäfen.
Mit dem alten Pass zu reisen kann gefährlich sein, wenn an der Grenze die Identität elektronisch abgefragt wird. Übrigens auch, wenn innerhalb des Schengenraums der (alte) Perso im Ausland überprüft wird.
Insbesondere trans- und queer-unfreundliche Länder (Russland, Ungarn, Türkei, „naher Osten“) können sehr unangenehm werden, wenn eine Person laut Pass „nach trans aussieht“ oder gar ein „X“ im Pass hat (bei „divers“ oder „ohne Eintrag“).
Mit einem „X“ kannst du einige Länder nicht mehr bereisen. Vor allem die Emirate (Dubai, Katar) und Saudi Arabien verbieten ausdrücklich die Einreise mit „X“. Auch Transit / Umstieg dort ist nicht möglich.
Bei anderen Ländern wie Indonesien, Ägypten, südliches Afrika, etc gibt es bisher keine offizielle Aussagen. Viele Länder sind jedoch auf das „X“ nicht vorbereitet. Wie Grenzübertritte und Kontrollen dort ablaufen ist deshalb offen.

#7 Ehe und Elternschaft.
Falls du verheiratet/verpartnert bist, wird das zuständige Standesamt automatisch informiert. Deine bisherigen Urkunden und Stammbücher sind damit obsolet.
Falls du Kinder hast, passen deine neuen Papiere nicht mehr zu deren Geburtsurkunden. Dies kann u.U. Probleme mit Schulen o.ä. erzeugen. Informiere dich am besten vorher bei trans-erfahrenen Beratungstellen, ob du auch da etwas umschreiben möchtest.

#8 Für Menschen, die nicht trans und_oder nichtbinär sind: Was alles nicht funktioniert.
Auch wenn du amtlichen Geschlechtseintrag, Vornamen und alle Papiere geändert hast, deine Firma informiert, alle Verträge angepasst: Im zwischenmenschlichen Alltag wird sich dadurch praktisch nichts ändern. Die allermeisten Menschen haben ihren amtlichen Geschlechtseintrag noch nie „beweisen“ müssen und könnten das auch gar nicht.
Stattdessen werden wir alle ständig „nach Aussehen“ einsortiert und behandelt.
Von dieser Einschätzung und der Einstellung der Leute auf die du triffst wird abhängen, ob du in geschlechtergetrennten Räumen akzeptiert oder rausgeworfen wirst.
Dein amtlicher Eintrag, deine neuen Namen und auch deine neuen Papiere werden dir im Zweifelsfall nicht helfen.

Solltest du also vorhaben, das SBGG „einfach so“ zu nutzen, ist mein Tipp: Lass es. Du machst dir selbst viel Arbeit; es wird dich Zeit, Geld und Nerven kosten, und wenn du es nicht wirklich ernst meinst, wirst du dich letztlich als ein Mensch outen, der sich das ganze wirklich nicht gut überlegt hat.


(1) Alle Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, „Blauer“ EU-Karte oder unbefristetem Aufenthaltstitel. Minderjährige ab 14 und Menschen unter Betreuung mit Zustimmung der Sorgeberechtigten.

(2) Die Praxis ist hier noch nicht ganz klar. Im Gesetz steht dazu nichts genaues, es gibt noch keine Fälle oder Urteile, nur geäusserte Rechtsauffassungen einzelner Verwaltungsstellen, die jedoch keine Weisungskraft haben. Der ausdrückliche Zusammenhang zwischen Eintrag und vermeintlich geschlechtlichem Namen war bisher nicht gegeben, bzw seit dem „Kiran“-Beschluss des BVerfG 2009 quasi aufgehoben. Für nichtbinäre Namen gab und gibt es bisher gar keine Grundlagen.

(3) Der alte Name ist ungültig und damit auch der alte Perso. Eine polizeiliche Abfrage mit dem alten Perso führt zu einem Fehler. Das Standesamt gibt die Änderung automatisch an die Meldebehörde am Wohnort. Die informiert dann das Bundesamt für Steuern, Rentenversicherung, Kraftfahrtbundesamt („Flensburg“), Bundeszentralregister („Führungszeugnis“), usw. Von da aus verbreitet sich die Änderung langsam durch alle Behörden.

„Einigt euch doch mal“ (auf ein Pronomen)

(Kleine Reaktion auf eine häufige Forderung verunsicherter Menschen)

Tja, wäre natürlich einfacher, wenn wir das so lösen könnten. Einfach eine dritte (bzw vierte) Variante zum er/sie/es und der/die/das. Dann gäbe es nicht diese Verwirrung um Anreden, Neopronomen usw.

Leider ist es komplizierter. Erstens lässt sich nichtbinäre Identität nicht optisch erkennen (auch nicht an blauen Haaren…), der Hauptgrund aber folgt hier:

Warum ist diese Pronomensache überhaupt so wichtig für „uns“ (Nichtbinäre)?

Es ist Selbstermächtigung. Es gibt noch – glücklicherweise – keine eindeutige „dritte“ Gruppe. Es geht sogar vielen (auch mir) ausdrücklich darum, dass es keine einzelne dritte Gruppe gibt.

In einer Welt, in der viele nichtbinäre Wesen vor allem an den gegenderten Zuschreibungen „als Mann“, „als Frau“ leiden/gelitten haben, wäre die dann-Zuschreibung in die nächste Stereotypenkiste genau das falsche.

Das erscheint genderbinären Menschen vielleicht unverständlich. Die stetige Unterscheidung Mann/Frau ist so eingebrannt, dass das Weglassen fast undenkbar ist. Für mich aber fällt damit eine völlig unnötige, künstlich verkomplizierende und belastende Kategorie weg.

So als würden wir sprachlich andauernd zwischen Handball- und Eishockey-Fans unterscheiden und 95% der Menschen fänden es völlig normal, dass sich alle entweder-oder zuordnen und andere uns optisch als das eine oder andere deuten.

„Einigt euch doch mal“ wäre dann die Anforderung, uns (weder-noch Menschen) auf eine bestimmte Sportart zu einigen, wenn uns Sport als den Alltag sortierende Kategorie – also zum Beispiel beim Brötchenkauf – nicht interessiert sondern belastet.

Also sorry, so gerne ich es „euch“ einfacher machen würde, aber sich gerade nicht auf ein einzelnes drittes zu verkürzen ist aktuell genau der Knackpunkt. Es ist „Freiheit von“ statt „mehr desselben“.

Der beste Rat, den ich „euch“ geben kann, ist tatsächlich „Name statt Pronomen“ oder sich das jeweilige Pronomen als Nick, zweiten Vornamen oder Endung zu merken: „Susi-xier“, „Max-en“, „Lynn-they“.

Wir (nichtbinäre) lernen aber auch dazu. Zum Beispiel, sage ich inzwischen nicht mehr „keine Pronomen“, weil das binär-gewohnten Menschen die Sache nicht leichter macht und sie erst nachdenken müssen, was das praktisch bedeutet. Von „en/ens“ mal ganz zu schweigen. „Name Jaddy, Pronomen jaddy“ scheinen viele einfacher umsetzen zu können und für mich ist das Ergebnis das gleiche.

„Welche Privilegien?“

Cis-binäre Normalitäten

Menschen nehmen häufig nicht wahr, welche Hindernisse und Probleme sie nicht haben, weil die Welt quasi „wie für sie gemacht ist“, nämlich für cis1-binär1-dyadische1 (und natürlich2 auch weiss, abled, autochton, hetero, usw.), oft „die Mehrheit“ genannt.

Falls du zu dieser Mehrheit gehörst, kannst du im folgenden mal schauen, welche Privilegien du im Vergleich zu trans, nicht-binären, inter und queeren Menschen geniesst. Nein, das gibt Dir keine Vorteile innerhalb der Mehrheit, aber im Gegensatz zu „uns“ brauchst du keine Energie zusätzlich aufzuwenden.

Entscheidend dabei ist, dass diese Privilegien ausschliesslich darauf beruhen, wie du „gelesen“ wirst, also wie andere dich einsortieren. Die Probleme und Diskriminierungen entstehen nicht dadurch, wie eine Person ist, sondern wie andere handeln.

Falls du wissen möchtest, welche Aufwände und Widerstände „wir“ zusätzlich haben, empfehle ich die „kleine Liste von Regeln und Hürden für binäre und nicht-binäre trans Personen„.

Alltagstätigkeiten

  • Du kannst öffentliche Einrichtungen wie z.B. Toiletten und Umkleiden bei Sport und im Kaufhaus benutzen, ohne Angst vor Anstarren, Beschimpfungen, Beklemmungen, „Falsch hier“ Bemerkungen, verbaler und/oder physischer Gewalt, Problemen mit Ordnungpersonen. Du kannst einfach aus einer Laune heraus mit deinen Freund•innen unterwegs sein und weißt, dass es Toiletten gibt, die du nutzen kannst.
  • Du kannst Kleidung, Schuhe, Accessoires kaufen, ohne dass dir der Service verwehrt wird, die Verkäufer•innen sich über dich lustig machen oder du nach deinen Genitalien befragt wirst. Das Angebot enthält ausreichend Auswahl in passenden Größen.
  • Du kannst relativ unaufällig durch die Welt laufen. Du wirst nicht andauernd angestarrt, es wird nicht über dich getuschelt, auf dich gezeigt oder über dich gelacht aufgrund deines geschlechtlichen Ausdrucks. Insbesondere brauchst du wegen deines geschlechtlichen Ausdrucks keine Gewalt zu befürchten.

Behörden und Institutionen

  • Du kannst in Formularen dein Geschlecht bzw. deine Anrede auswählen. Niemand widerspricht deinen Angaben.
  • Niemand bewzeifelt deine Ausweispapiere oder verweigert dir deswegen Dienstleistungen in Krankenhaus, Bank, Post oder anderen Institutionen. Du hast keine Beklemmungen, sie vorzuzeigen.
  • Du kannst davon ausgehen, dass du einen Job bekommst, eine Wohnung mieten kannst oder einen Kredit aufnehmen, ohne dass dir dies aufgrund deiner Geschlechtsidentität/-ausdrucks abgesprochen wird.
  • Du kannst dich bei Sportvereinen anmelden und dich dort Gruppen, Teams oder Ligen zuordnen. Deine Zuordnung wird nicht in Frage gestellt.
  • Sicherheitskontrollen bereiten dir keine Sorgen, aufgrund deiner geschlechtlichen Identität oder deines Körpers falsch behandelt zu werden
  • Falls du Kinder hast bist du in den Geburtsurkunden mit dem richtigen Namen und Geschlecht eingetragen. Kitas und Schulen erkennen deinen Status und Elternschaft problemlos an.

Medizin

  • Deine Identität wird nicht in medizinischen Katalogen geführt (z.B. ICD 10 „gender identity disorder“)
  • Du musst dich keiner umfassenden psychologischen Einschätzung unterziehen, um grundlegende medizinische Versorgung zu erhalten.
  • Du kannst davon ausgehen, dass Mediziner•innen sich mit deinen Themen auskennen und du angemessene Behandlung bekommst.
  • Die Organisation von Praxen, Krankenhäusern und Rettungsdienst kann dich problemlos unterbringen.

Rechtfertigung und Existenz

  • Du musst deine Eltern / Familie nicht von deinem Geschlecht überzeugen und•oder dir erst die Liebe und den Respekt deiner Eltern und Geschwister neu verdienen.
  • Du musst niemanden andauernd daran erinnern den richtigen Namen und die richtigen Pronomen zu verwenden.
  • Du kannst annehmen, dass alle, die du triffst deine Geschlechtsidentität verstehen und nicht denken, du seist verwirrt oder verdammt.
  • Unbekannte Menschen gehen nicht davon aus, dass sie dich nach deinen Genitalien oder deinem Sexleben fragen dürfen.
  • Unbekannte Menschen reden dich mit dem Namen an, den du ihnen sagst und fragen dich nicht nach deinem „richtigen Namen“ (Geburtsname), mit der Annahme, dass sie das Recht haben dich dann so anzureden.
  • Falls du religiös bist hat deine Religion keine Probleme mit deiner Existenz, deiner Identität, deiner Sexualität oder Familienleben.

Repräsentation

  • Du fühlst dich bei allgemeinen Anreden und Anschreiben jeweils mitgedacht und angesprochen.
  • Du findest Vorbilder und Vordenker•innen mit deiner Identität, denen du nacheifern kannst.
  • In Fersehen, Filmen und Büchern werden Menschen deines Genders richtig dargestellt und deine Geschlechts-Identität nicht lediglich in den Fokus gerückt, wenn es um dramatische Handlungen oder Pointen in einem Witz geht
  • Dokumentationen bezüglich deines Genders bezweifeln nicht deine Existenz, deine Berechtigung so zu leben, deinen Anspruch auf Teilhabe und Respekt. Sie stellen dich nicht als Krankheitsbild oder exotische Kuriosität dar
  • Dein Gender wird in Statistiken und Umfragen berücksichtigt

Beziehungen und Sexualität

  • Wenn du eine Person datest, kannst du davon ausgehen, dass sie dich nicht als Kuriosität oder Fetisch ausgesucht hat (z. B. nur um einmal Sex mit einer trans Person gehabt zu haben).
  • Du kannst Orte und Veranstaltungen betreten, die nur für ein binäres Geschlecht sind und wirst nicht aufgrund von trans sein ausgeschlossen. Du musst nicht verteidigen auch Teil von „Queer“ zu sein. Schwule und Lesben werden nicht probieren dich auszuschließen von „ihrem“ Kampf um gleiche Rechte, aufgrund deiner Geschlechtsidentität.
  • Du kannst flirten, unverbindlichen Sex haben oder jede Art von Beziehung eingehen ohne zu fürchten, dass du aufgrund deines biologischen Status’ zurückgewiesen oder attackiert wirst, noch wird es deine•n Partner•in dazu bringen seine•ihre sexuelle Orientierung infrage zu stellen.
  • Wenn du Opfer eines Verbrechens wirst, wird dein geschlechtlicher Ausdruck nicht als Rechtfertigung genutzt („gay panic“, „trans panic“), noch als Grund die Täter•innen zu entschuldigen.
  • Deine Glaubwürdigkeit als Mann•Frau•Mensch hängt nicht davon ab, wie viele Operationen du hattest oder wie gut dein Passing3 ist.
  • Du wirst auf der Straße nicht als Sex-Arbeiter•in aufgrund deines geschlechtlichen Ausdrucks eingeordnet.
  • Du kannst weiterhin behaupten, dass Anatomie und Geschlecht unumstößlich miteinander zusammenhängen, wenn du mit Kindern darüber redest, anstatt die Komplexität des Themas zu erklären.

1) cis, binär, dyadisch sind das Gegenstück zu trans, a_binär und inter, also Menschen, die mit ihrem bei Geburt zugeordneten Geschlecht zufrieden sind, eindeutig Mann oder Frau sind und körperlich „eindeutig“, was Geschlechtsmerkmale angeht.

2) Viele der Benachteiligungen, Diskriminierungen und Anfeindungen sind übergreifend, d.h. für verschiedene Merkmalsgruppen ähnlich. Ausserdem können Menschen mehrfach betroffen sein, zum Beispiel wenn sie als trans / queer und nicht-weiss o.ä. gelesen werden.

3) „Passing“ (engl. „durchgehen“, „(Test) bestehen“) bedeutet, von anderen äusserlich „richtig“ einsortiert zu werden, also als „Mann“ oder „Frau“, so wie du selbst dich identifizierst. Nicht-binäre Personen können quasi nie „passen„, weil die meisten Menschen gar nicht auf die Idee kommen, weder Mann noch Frau vor sich zu haben.

Selbstbestimmungsgesetz – Materialsammlung zur Diskussion

Frühjahr 2022. Seit die Ampel-Koalition angekündigt hat, das TSG abzuschaffen und ein Selbstbestimmungsgesetz einzuführen, mobilisiert die Gegenseite mit allerlei Behauptungen, die bestenfalls übertrieben, eigentlich aber reine Phantasie sind (merke: Ja, ich bin voreingenommen ?).

Diese Phantasiebehauptungen schaden trans Personen, ganz unabhängig vom Selbstbestimmunggesetz.

Hier eine Sammlung von Informationen, sachliche, rechtliche, wissenschaftliche, die diese schädlichen Mythen widerlegen. Im Laufe der Diskussion wird die Sammlung erweitert.

Sollte ein Link nicht mehr funktionieren bitte Bescheid geben (jaddy(at)enby-box.de). Ich habe PDF-Versionen der Texte gesichert.

Selbstbestimmungsgesetz

  • Gesetzentwurf GRÜNE 2020 (PDF)
  • Gesetzentwurf FDP 2020 (PDF)
  • „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden? – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit“ (BV Trans) (Link)
  • „Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetz (TSG)“ (LSVD) (Link)
  • „Trans*feindliche Mythen – Einige Richtigstellungen“ (transinterqueer) (PDF)
  • „Trans*: Hype der Gender-Ideologie und Gefahr für Kinder und Jugendliche?“ (LSVD) (Link)

Basisinfos Trans und Stand der Wissenschaft

  • „Trans* ganz einfach – im Job, in der Familie, auf Klassenfahrten – Praxisnahe Infos für Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte“ (BV Trans) (Link)
  • „Die Sache mit dem Geschlecht“ (fluter, Heinz-Jürgen Voß) (Link)
  • „Detransition im Spannungsfeld der öffentlichen Debatte; Berichte von und über Personen, die eine Transition anhalten oder in eine neue Richtung entwickeln, häufen sich. Doch wie viele Menschen wünschen sich tatsächlich eine Detransition? Was sind Gründe dafür? Was bedeuten diese Erzählungen für die Gesundheitsversorgung von trans* Personen?“ (Regenbogenportal) (Link)

Medienbeiträge

  • Lila Podcast: „Trans sein und Feminismus: Hintergrund und Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz – mit Tessa Ganserer, Katja Husen, Hagen Löwenberg und Leah Oswald – Was ist das Selbstbestimmungsgesetz? Warum ist es wichtig und wer will es verhindern? Warum sind manche Feministinnen dagegen – sogenannte TERFs – und wie begegnet man deren Argumenten? Was sind die aktuellen Erkenntnisse aus Biologie & Psychologie?“, (Link)

Zu einzelnen Personen

Rezensionen zu A.Schwarzer

  • „9 Kritikpunkte an Alice Schwarzers gefährlichen und falschen Thesen zu „Transsexualität“ (LSVD) (Link)
  • „Dieses Buch schadet trans* Personen! Alice Schwarzers neues Buch verbreitet Menschenfeindlichkeit!“ (BV Trans) (Link)

Selbstbestimmungsgesetz. Will ich das?

Update: Antworten werden unten angehängt und kommentiert

Auf Twitter äusserte ich die Hoffnung, dass das Selbstbestimmungsgesetz in 2022 endlich Realität wird und bekam darauf folgende DM:

Ein Hoch darauf, dass Frauen dann keine Schutzräume mehr haben, in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden und der Frauensport zerstört wird? Dass Statistiken in Wissenschaft, Medizin und Kriminalität verfälscht werden? Sicher, dass du das willst?

Meine Antwort

Die Bedenken kenne ich und kann ich nachvollziehen bei jenen, die wenig praktische Erfahrungen mit trans Personen haben (bzw sie als trans Personen (er)kennen). Die Erfahrungen aus Ländern mit einem solchen Selbstbestimmungsgesetz zeigen aber, dass die Befürchtungen in der Praxis unbegründet sind. Also zum Beispiel Dänemark, Schweden, Malta, Irland, Island, Uruguay, Argentinien.

tl;dr ein geänderter Personenstand nützt dir nix, um irgendwo einzudringen oder Unfug zu machen. Brauchst du schlicht nicht, macht höchstens tierisch Aufwand und reichlich Folgeprobleme. Die einzigen Vorteile sind richtiger Name und Anrede und dadurch ein gutes Gefühl (für trans Personen).

Mal im Detail:

Zu allererst ist wichtig, was ein Selbstbestimmungsgesetz, wie 2020 von Grünen und FDP jeweils vorgeschlagen, eigentlich regelt und was nicht: Den standesamtlichen Geschlechtseintrag im Personenstand und optional die Vornamen. Sonst nichts. Keine Privilegien, keine rechtlichen Vorteile, keine Eintrittskarte irgendwo.

In Schutzräumen gilt wie überall Hausrecht, und diejenigen, die es ausüben haben eh schon Erfahrung damit, mit Personen unterschiedlicher Vulnerabilität umzugehen und die verschiedenen Bedürfnisse auszugleichen. Ich kenne trans Personen im betreuten Wohnen, wo das mit etwas gutem Willen gut funktioniert hat, aber auch Personen, die im Krankenhaus mit dem Bett auf dem Gang standen, weil es kein „passendes“ Zimmer gab. Das ist also eher eine Frage der Ausbildung und Möglichkeiten des Personals dort.

Dass es generell zu wenig Schutzräume gibt ist völlig klar. Die Betroffenen gegeneinander auszuspielen, bzw die einen einfach untern Bus zu werfen, ist aber keine Lösung.

Bei privaten Versammlungen, Veranstaltungen und Orten wie Frauencafés etc gilt ebenso Hausrecht, wie in jedem Club, jedem Lokal und jedem Verein. Ob du da mit einem anderen Namen im Ausweis auftauchst ändert in der Praxis nichts daran, ob du rein kommst und drinnen bleiben darfst[1].

Ganz realistisch wird kein Gewalttäter das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen, um in Frauenräume einzudringen. Es lohnt einfach den Aufwand nicht, benötigt viel zu viel Vorarbeit und Folgekosten, um zum Beispiel erstmal Papiere auf einen neuen Namen zu ändern, etc., um dann in der Praxis keinen messbaren Effekt zu haben.

Der offizielle Personenstandseintrag ist im täglichen Leben quasi ohne Belang. Ich sage das als nicht-binäre trans Person mit dem Eintrag „divers“ seit 2019. Ich muss überall darauf hinweisen und habe ausser der Geburtsurkunde keinerlei Nachweis (steht ja nicht im Perso oder so). In der Praxis werde ich in jedem Fall optisch einsortiert und entsprechend unterschiedlich akzeptiert und behandelt. Das wäre mit jedem anderen eingetragenen Personenstand genau das gleiche. Du kannst als trans Person höchstens beschweren, klagen, was weiss ich, aber wenn die Leute nicht wollen, hast du keine Handhabe.

Das heisst, wer in böser Absicht irgendwo eindringen will, braucht keinen neuen Personenstandseintrag, sondern eher optisches Passing und passende Manierismen, Stimme, usw. Das erfordert den immensen Aufwand einer körperlichen Transition. Ich sage dir aus eigener Erfahrung: Das macht kein Mensch „mal eben so“. Wer es auf Gewalt gegen Frauen anlegt, hat dazu – leider – massiv viele andere Gelegenheiten mit minimalem Aufwand (und ohne sich amtlich als Frau eintragen zu lassen; hallo Männlichkeitsbild).

Dieses männliche Selbstbild verhindert auch, dass sich Männer über geänderten Personenstand anderswo Vorteile verschaffen. So mies es klingt, es hängt an der immer noch in den Köpfen existierenden Hierarchie: Männer oben, Frauen darunter – und nicht-binäre Personen generell ausgeblendet. Also welcher cis-männliche Sportler würde sich per Selbstbestimmungsgesetz einen weiblichen Personenstand holen, um dann Preise abzuräumen, nur um dann den Spott seiner männlichen Kollegen zu riskieren, dass „es wohl bei den Männern nicht gereicht hat“? Welcher cis-Mann würde sich einen Posten per „Frauenquote“ holen und dann in der Firma/Amt arbeiten? Machen wir uns nichts vor: Diese hierarchische Denke steckt letztlich dahinter und der soziale Druck regelt.

Statistiken… sind eh problematisch, weil sie in der Regel cis-binär gebaut werden und nicht klar ist, nach was genau sie eigentlich differenzieren wollen. Chromosomen? Körperliche Erscheinung? Amtlicher Personenstand? Selbstverortung? Und zu welchem Mehrwert an Erkenntnis?

Die Frage ist zum Beispiel bei Kriminalstatistiken, welche Taten überhaupt einen Bezug zu bestimmten geschlechtlichen Aspekten haben. Wo ist welches Merkmal entscheidend für Opfer und Täter•innen?

In der Medizin muss eh noch mal anders gearbeitet werden, nämlich nicht pauschal, sondern anhand der für den Fall relevanten Parameter. Geht es um Chromosomen, Organe, Hormone? Ich hab zB das Thema mit der Gesundheitskarte. Da steht ein X für meinen standesamtlichen Personenstand drauf und die Kasse geht nach diesem, nicht nach meinen körperlichen Bedürfnissen. Folge: Ich bekomme keine automatischen Vorsorgeuntersuchungen, obwohl ich eigentlich mehr und andere als früher brauche. Auch wo mein Körper nach der Hormonumstellung jetzt eigentlich anderes tickt ist eine ständig offene Frage[2].

Letztlich ist aber der Fehlerfaktor in Statistiken durch Menschen mit geändertem Personenstand gegenüber der normalen Unschärfe und Fehlern vernachlässigbar, dass wird jede•r Expert•in bestätigen. Sprich: Trans Personen fallen mangels Menge statistisch einfach nicht ins Gewicht[3].

Aktuelle Studien zur Häufigkeit[4] gehen in Richtung 1-3% Menschen, die im weitesten Sinne mit ihrem Zuweisungsgeschlecht Probleme haben. Ein Drittel davon ordnet sich nicht-binär ein. Es ist völlig offen, wie viele davon ihren Eintrag ändern lassen würden, wenn das in D nicht mehr 1500-2000€ kostet und zwei ziemlich invasive, Intimsphäre verletzende Gutachten braucht, die nachweislich gar nichts feststellen können, ausser vielleicht die Fähigkeit, Stereotypen „vortanzen“ zu können.

Fazit: Die Befürchtungen verstehe ich, aber sie sind nach den Erfahrungen aus anderen Ländern unbegründet und eventuelles Missbrauchspotenzial in der Praxis gleich Null. Es gibt potenziellen Missetätern einfach keine Vorteile sondern eher Aufwand und Nachteile. Stattdessen können sie sehr viele andere Gelegenheiten nutzen. Schutzbereiche können mit bereits etablierten Methoden gesichert werden. Und der statistische Faktor fällt in der Masse einfach nicht ins Gewicht.


[1] Tatsächlich haben sehr viele trans Personen erhebliche Ängste, in gegenderte Räume zu gehen. Aslo in Toiletten, Umkleiden, usw.

[2] Ein Arzt meinte, ich hätte Eisenmangel, dabei hatte er nur in die falsche Referenztabelle geguckt. Bei der Covid-Schutzimpfung war unklar, in welche Risiko-Kategorie ich falle. Wären meine Symptome für Herzinfarkt eher typisch männlich oder typisch weiblich?

[3] Die Betreuung von trans Personen leidet massiv unter einem Mangel an qualitativ guten Studien, einfach weil nirgendwo eine solide Anzahl von Teilnehmenden zustande kommt. Hormonumstellung ist guess work, usw

[4] s. die [S3-Leitlinie](https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/138-001.html) „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit“


Gegenargumente, die keine sind

Es gab eine Antwort mit einigen Punkten, wo offenbar einiges missverstanden worden war. Hier die Argumente in Zitaten und meine Antworten dazu.

Das Hausrecht soll nirgends mehr gelten. Jeder wird wg. des geplanten Gesetzes mit  einem Bußgeld belegt, wenn er jemanden aufgrund des Geschlechts nicht reinlässt: Frauen-vereine, -stammtische, -umkleiden,  WCs, -quote, Arbeitsplätze etc.

Dazu der Verweis auf die Passagen Ordnungswidrigkeiten der Gesetzentwürfe von FDP und Grünen. Großes Missverständnis. Hier die beiden Wortlaute:

Gesetzentwurf der FDP
Gesetzentwurf der Grünen

Die Ordnungswidrigkeiten beziehen sich ausschliesslich darauf, dass die früheren Namen und Personenstände nicht ohne Zustimmung genannt, also „offenbart“ werden dürfen. Das heisst misgendern, „hiess früher mal soundso“, „war mal …“, etc. könnten dann auf Anzeige mit einem Bussgeld belegt werden. Damit haben Personen eine Handhabe gegen Behörden, Firmen und andere, die sie outen.

Falsch ist außerdem Deine Behauptung, man müsse Hormone und/oder Chirurgie anwenden. Du kannst mit Vollbart, mit Penis und Hoden, ohne irgemdetwas an Dir modifiziert zu haben, zum Standesamt gehen und dein Geschlecht ‚ändern‘. Wegen des Bußgeldes von bis zu 2.500 Euro riskiert niemand mehr eine Nachfrage, was übersetzt bedeutet: Jeder, absolut jeder Mann, kann ungehindert in Schutzbereiche für Frauen. Kann man sehr schön im Ausland sehen, dort geschieht genau das.

Das mit Hormonen habe ich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Nein, für die Personenstandsänderung braucht es auch jetzt schon keine körperlichen Modifikationen. Das hat das BVerfG 2011 aus dem TSG ausgeschlossen (BVerfGE v. 11.1.2011 I 224 – 1 BvR 3295/07).

Allerdings ging es da nur um die Zwangs-Sterilisation für eine Personenstandsänderung. Auch nach TSG brauchte es (bis 2011) keine Hormone, sondern „nur“ eine Genital-OP, um zeugungs- bzw gebärunfähig zu sein.

Grund dafür: Das TSG von 1981 wollte damit und mit der Zwangsscheidung um jeden Preis verhindern, dass trans Personen „durch die Hintertür“ eine gleichgeschlechtliche Ehe womöglich mit Kindern haben können. Das hat sich seit der „Ehe für (fast) alle“ 2017 eh erledigt.

Was ich mit der Passage meinte: Um sich als cis Mann o.ä irgendwo einzuschleichen, braucht es keinen Personenstand sondern viel eher physische Verkleidung – und das dürfte schnell auffliegen.

Ein Grüner hat den Grünen bei einem Parteitag vorgeführt, wie der Sprechakt in der Realität funktioniert. Es haben Zeitungen darüber berichtet.

Ja. Hat er. Er hat sich als Frau bezeichnet und mit dieser Begründung auf einen (quotierten) Frauenplatz setzen lassen. In der „Emma“ hat er dazu einen Artikel geschrieben.

Er wurde nicht gewählt. Kurz danach wurde er aus seiner Stellung als Mitarbeiter einer grünen Landtagsabgeordneten gekündigt.

Das Beispiel zeigt eigentlich genau, was ich meine: In der Realität regelt sich das sehr pragmatisch, bzw wie der eine Kommentar sagt: „Aber das Wahlergebnis habe gezeigt, meint sie, dass die Partei gute Schutzmechanismen habe und nicht einfach irgendwelche Männer gewählt würden“.

Natürlich war die Aktion „Scheisse“. Weil sie ein fiktives Problem deklariert, aber ein reales ausblendet, nämlich wie in der Realität mit trans Personen umgegangen wird: Ein geänderter Personenstand nützt dir in der Praxis gar nichts. Weder um irgendwo rein zu kommen, noch um irgendwo gewählt zu werden – und auch nicht, um als reale trans Person respektvoll behandelt zu werden.

„Herzlichen Glückwunsch, Du hast gerade eine nicht-binäre Person kennengelernt“

Geschätzt über 95% der Menschen da draussen kommen nicht mal auf den Gedanken, dass ihnen weder ein „Mann“, noch eine „Frau“ gegenüber steht. Sie versuchen nach Augenschein binär einzuordnen, um eins dann höflich zu behandeln, in der Form, die ihnen zutreffend erscheint.

Das heisst natürlich: immer falsch. Ich werde „ge-herrt“, „ge-fraut“, „ge-sohnt“, „ge-tochtert“.

Deshalb wurde dieser freundliche, kleine Flyer entworfen, mit absoluten Basisinformationen zum Thema, den ich völlig unbedarften Menschen in die Hand geben kann.

Zahlreiche gute Ideen und Beiträge aus dem Discord „Nicht-binäre Menschen“ sind eingeflossen.

(Klick für großes Bild)

Die Druckvorlage kann als Open Document Draw (LibreOffice) und als PDF geladen und verwendet werden. Sie steht unter CC0, d.h. sie darf beliebig kopiert, genutzt und geändert werden.

Die gedruckte Version verschicke ich auch, wenn ich eine Postadresse und die ungefähre Anzahl per Mail an jaddy at enby-box.de erfahre.

Das Kosten-Pseudo-Argument für trans Therapien

In einem anderen Forum wurden mal wieder „die Kosten für die Solidargemeinschaft“ aka Krankenkassen-Leistungen angesprochen und Leistungen wie Stimmband-OPs oder Gesichtsfeminisierungen als quasi überflüssig dargestellt.

Dieses – in meinen Augen – Pseudo-Argument der Kosten für die Solidargemeinschaft finde ich immer wieder putzig, aber auch erschreckend. Putzig, weil offenbar die Relation der Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen im Gesamtbudget des Kassensystems nicht klar sind. Erschreckend, weil die Sprache und Denke, neudeutsch: Narrativ, framing, priming, von rein wirtschaftlich/“liberal“ ausgerichteten Interessengruppen reproduziert wird, die auf jeden Fall garantiert nicht solidarisch interessiert sind, sondern aktiv ausgerechnet bestimmte Leistungen verknappen, die tatsächlichen Verhältnisse jedoch verschweigen.

Mal zu den konkreten Zahlen. In D gibt es jährlich ~2000 GaOPs (2018: 1800). Das sind kostenmässig die größten Klopper, right? Kosten pro Fall um 20.000€. Geben wir mal pro Fall noch 5.000€ für Epilation bei trans Frauen drauf. Dazu kommen jene, die es bei einer Orchiektomie belassen bzw. Mastektomie bei trans Männern, was unter 10.000€ kostet (Kostenvoranschlag der UK Essen für Orchiektomie: 9.500€ als Privatzahly inkl. 6 Tage Aufenthalt).

Also übern dicken Daumen gerechnet könnten wir 25.000€ pro Fall annehmen[1] und – ach, was solls – lass mal 3000 Fälle rechnen. Macht in Summe 75 Millionen Euro pro Jahr. Ui! Was für Zahlen. Oder?

Nein. Im Vergleich der Ausgaben der Kassen – mal nur die gesetzlichen betrachtet – findet sich so ein Betrag gar nicht wieder (Quelle: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/grafiken/gkv_kennzahlen/kennzahlen_gkv_2021_q1/20210706_GKV_Kennzahlen_Booklet_Q1-2021_300dpi_barrierefrei.pdf):

Ausgaben der GKV 2020 in Mrd. Euro

75 Mio€ sind im Gesamtbudget der gesetzlichen Kassen (239 Mia€) gerade mal 0,031%. Alle Angleichungen zusammen inkl Epilation und allen Schnickschnack machen nur 2,2% der Ausgaben für Zahnersatz aus. Oder 5% der Ausgaben für Schwangerschaften/Mutterschaft (ohne stationäre Entbindungen…). Und dafür wird ein immenser bürokratischer Minimierungsaufwand mit Gutachten, Prüfungen, Bescheiden, Widersprüchen, Anwätys usw getrieben – also Kosten in Form von Geld und Nerven verursacht.

OK, aber die anderen 239 Mia€ sind ja alles notwendige Ausgaben, oder? Kommt drauf an. Zum Beispiel auf die Ursachen. Ich nehm mal eine heraus, die willkürlich und vermeidbar ist: Rauchen.

Eine rauchende Person verursacht im statistischen Mittel der Solidargemeinschaft via GKV viel höhere Kosten:

Insgesamt kostet ein lebenslanger Raucher (ab dem Alter von 15 Jahren) die GKV bis zu seinem Tod 90.483 Euro, eine lebenslange Raucherin kostet 529.481 Euro. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist darauf zurückzuführen, dass Frauen in Deutschland nach wie vor weniger verdienen und ihre Erwerbstätigkeitsquote – und damit die Beitragszahlung zur GKV – deutlich niedriger ist als bei Männern.

https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/AdWfP/AdWfP_Die_Kosten_des_Rauchens_in_Deutschland.pdf
(gleiche Quelle)

In Summe jährlich 25 Milliarden direkte Kosten. Jährlich! Das wären eine Million komplette Trans-Angleichungen! Pro Jahr!

Diese Kosten stecken zum großen Teil in den 239 Milliarden GKV Budget. Mit anderen Worten: Irgendwas bei 25% der Kassenausgaben gehen in genau ein freiwilliges, vermeidbares, sich selbst und „die Solidargemeinschaft“ schädigendes Verhalten. Ich spare mir die Rechnungen für ähnliche Bereiche wie Alkohol, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Extremsportarten, risikoreiches Verhalten.

Das heisst: „Die Solidargemeinschaft“ trägt eine Menge Folgekosten für persönliche Freiheit und auch krass dummen, risikoreichen Lebensstil.

Und ich bin der Meinung, dass das vollkommen in Ordnung ist! Diese Möglichkeit der persönlichen Freiheit ist sogar Staatsziel.

Von daher lasse ich Kostenargumente gegen freizügigere Bezahlung von Angleichungen nicht gelten. Bei unbedarften Privatpersonen kann ich wohlwollend von Unwissenheit bzgl der Zahlenverhältnisse ausgehen. Anders sieht es aus, wenn ihnen die Zahlen bekannt sind. Dann ist es entweder Ignoranz („mir doch egal wie es dir geht“), Neid („da kriegt wer mehr als ich“) oder schlicht Transfeindlichkeit.

Interessengruppen und professionellen Meinungsmenschen, Politikys und Funktionsträgys kann Unwissenheit nicht zugute gehalten werden, wenn sie sich zum Thema äussern. Das gebietet schon die Redlichkeit im offiziellen Diskurs. Ziemlich sicher stecken da andere Interessen hinter. Das sind zum einen wirtschaftliche – mehr Gewinne für Aktionärys – oder eben wieder trans- und queerfeindliche Ansichten, die mit „Kosten für die Solidargemeinschaft“ verdeckt und zur Stimmungsmache genutzt werden sollen.

[Disclaimer: Ich habe 28 Jahre als Arbeitnehmy in die GKV eingezahlt und seit 2016 Jahren als Freiberufly. In Summe mehr als 150.000€. Trotzdem habe ich dank des binär augerichteten Systems meine Transition mit bisher ca 20.000€ selbst bezahlt. Die Alternative wäre gewesen, mir jahrelange Auseinandersetzungen mit Kassen und MDK und Gutachtys zu liefern, weil nicht-binäre Transition bisher in keinen Regularien vorkommt. Ich hätte es einzeln mit Gutachten usw. einklagen müssen. Glücklicherweise hatte ich die privaten Ressourcen. Ich neide anderen nichts, was sie von Kassen gezahlt bekommen, denn ich weiss, dass das Geld da wäre.]


[1] nicht gerechnet die eingesparten Kosten für Langzeitfolgen, die durch den Leidensdruck durch eine nicht erfolgte Transition entsteht, zum Beispiel Sucht, psychische Erkrankungen, etc.

Eine kleine Liste von Regeln und Hürden für binäre und nicht-binäre trans Personen

Meint: Was trans Personen so an Aufwänden und Widerständen zu bewältigen haben, um einfach nur gemäß der „freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit“ nach zu leben. Siehe auch „WelchePrivilegien„.

Entstanden, nachdem eine cis Person sehr verwundert über das Blutspendeverbot für trans (und andere) war. Weitere Beispiele werden gerne genommen.

Für Personenstand, geänderte Vornamen, Papier, etc:

  • (Alt, abgelöst durch SBGG ab November 2024) Neuer Personenstand und Vorname nur per Gerichtsbeschluss, mit zwei gerichtlich bestellten psychologischen Gutachten (Kosten: 1500-2000€).
    Dabei ist unter Fachleuten Konsens, dass eine Geschlechtsidentität nicht wirklich getestet oder begutachtet werden kann. Viele Gutachtys „testen“ deshalb eher auf Klischeetreue, sprich: Dass die Person wie eine Klisscheefrau bzw Klischeemann dort aufläuft und die passende Rolle „vortanzt“, inklusive „passender“ Kindheit.
    Bei nicht-binären gibt es quasi nichts zu begutachten. Wie soll ein Mensch „beweisen“, weder als Mann, noch als Frau zugeordnet werden zu wollen, bzw dass die Zuschreibungen und Klischees psychischen Druck verursachen?
    Deshalb sind auch kaum Therapeutys oder Gutachtys dafür zu finden und ihre Qualität sehr dürftig.
    Die Möglichkeit, als nicht-binäre trans Person den Personenstand „divers“ oder „Streichung“ per TSG zu erlangen, ist deshalb bisher eher theoretisch.
    Auch wenn der BGH dies eigentlich durch ein Urteil in 2020 eröffnet hat.
  • Alle Kosten und Aufwände für die Änderungen von Konten, Verträgen, Versicherungen, Autos, Führerscheine, Pässe und Ausweise, Zeugnisse. Eigene Grundbucheinträge ändern ist… diffizil.
  • Beim Wechsel weg von und nach „männlich“ wird eine neue Rentenversicherungsnummer fällig. Darin ist nämlich der amtliche Gendermarker kodiert.
    Übrigens nach dem Schema „50% für männlich, der Rest für .. den Rest“ (also inkl „divers“ und „ohne Eintrag“)
  • Name und Anrede bei Firmen, etc. ändern geht auch in unsinnigen Fällen häufig erst mit neuer Geburtsurkunde. Selbst bei Ärztys für die Transition.
  • Eigentlich dürfen die alten Namen nach Gerichtsbeschluss nicht offenbart werden. Da das Verbot aber nicht strafbewehrt ist, muss im Zweifelsfall zivil auf Schadenersatz / Schmerzensgeld geklagt werden.
  • Bei der Eheurkunde kann das Standesamt die Änderung einfach ablehnen
  • Elternschaft bei Paaren mit trans Personen: Absolutes rechtliches Nebelgebiet.
  • Gebärende trans Männer werden als Mütter eingetragen. usw.
  • Peronen mit „divers“ können möglicherweise amtlich keine Eltern werden.
  • Bei Elternschaft innerhalb x Monaten nach Personenstandsänderung kann der Wechsel u.U. zwangsweise rückabgewickelt werden.

    Nicht vergessen: Das TSG („Transsexuellengesetz“) von 1981 war vor allem als Gesetz zur Verhinderung von Ehen (und Kindern) ausserhalb der cis-hetero-binären Norm gemacht.
    Immerhin konnten Zwangssterilisation und Zwangsscheidung über das Verfassungsgericht aus dem Gesetzt rausgeklagt werden.
    Die Gutachtenpflicht ist die letzte wackelige Säule.
  • Blutspende ist verboten. Trans Personen gelten pauschal als promisk, Sex-Risikogruppe und_oder Sexworker…
  • Jetzt ggf Zwangsouting bei den Corona Impfnachweisen, weil nur mit – u.U. gar nicht mehr stimmigem – Ausweis gültig
  • Bestimmte Jobs sind nicht mehr zugänglich.
    Bis vor kurzem z.B. Polizei und Zoll: Männliche Personen mussten Hoden vorweisen können, um eingestellt zu werden, was transmännliche und bestimmte inter Personen ausschliesst.
  • Verbeamtung und „sicherheitsrelevante“ Jobs sind u.U gesperrt, weil eine trans Person ja (Zwangs)Psychotherapie hatte.
  • Schutzräume für Frauen sind auch gerne trans-abweisend.

Für körperliche Angleichungsmassnahmen:

  • Zwangstherapie. Erst mal 12 Sitzungen Psychotherapie und zwar am Stück von kassenmässig anerkannter Fachperson, bevor die Krankenkasse auch nur irgendwas bewilligt (s. BGA des MDS). Therapieplätze sind kaum zu kriegen, viele trans Personen brauchen keine und belegen damit Ressourcen.
  • Für viele OPs wollen die Kassen bis zu 18 Monate Therapie für die Bewilligung nachgewiesen haben. Wie gesagt: Am Stück. Therapeuty wechseln o.ä. macht häufig Probleme
  • Nur wenige Therapeutys sind real für trans qualifiziert. Es gibt keine formale Qualifikation, was gut und schlecht zugleich ist.
  • Psychologische Indikationen notwendig für alles und zwar einzeln: Hormontherapie, Epilation, genitale Angleichungen, Brust-Aufbau bzw Mastektomie, Logopädie, Hysterektomie, usw.
  • Alltagstest. Eigentlich abgeschafft, aber einige Therapeutys wollen den immer noch.
    D.h. 6-12 Monate „100% im Geschlecht leben“ – bevor irgendwelche Massnahmen bewilligt werden, bzw Zwangstherapeuty die Indikation ausstellt.
    Im Klartext: Coming out von jetzt auf gleich, in Job, Familie, Umfeld, inklusive Kleidung etc., ohne zB Epilation oder Hilfsmittel wie Binder bezahlt zu bekommen.
  • Für nicht-binäre zahlen Kassen erst mal nix, gemäss ihrer sich selbst gegebenen Richtlinien (BGA des MDS). D.h. es wird pauschal abgelehnt und muss dann einzeln mit Gutachten eingeklagt werden.
  • Vorsorgeuntersuchungen. Krankenkassen gehen idR nach eingetragenem Gendermarker. Aber einige Menschen haben Brüste und Prostata und_oder Penis und_oder Hoden.
    Automatisch benachrichtigt wird normalerweise auch nicht.
  • Die meisten Ärtzys kenenn sich mit trans Anatomie nicht aus, was zu Fehlbehandlungen und Schmerzen führen kann.

Mindestens während der Transition und für nicht-binäre quasi immer:

  • In öffentlichen, gegenderten Räumen angegriffen oder rausgeworfen werden: Toiletten, Umkleiden, Läden, Schwimmbäder, Saunen, …
  • Falsche Zuordnung oder Abweisung in Kliniken, bei Polizei und Sicherheitskontrollen.
  • Aus Sportvereinen rausfliegen und nirgendwo aufgenommen werden
  • Nicht wenige werden nach Start der Transition unter fadenscheinigen Gründen im Job gekündigt

Wer das Kassensystem umgehen will oder muss (nicht-binär), also selbst zahlen:

  • Hormon-Umstellung, lebenslang, ca. 500+€/Jahr
  • Epilation (Gesicht, Körper): 5000-25000€, je nach Behaarung und Haarart/farbe
  • Personenstand / Vornamen: s.o., ca. 2000€
  • Genital-OPs je nach Art und Umfang: 10000-25000€.
    Tw. mehrere Teil-OPs nötig
  • Brust-OPs je nachdem (Aufbau, Entfernung): 10000-15000€
  • Auch bei selbstgezahlten OPs und Hormon-Umstellungen wollen die Ärztys idR psychologische Indikationen, die irgendwie realisiert und bezahlt werden müssen
  • zu anderen Angleichungsmassnahmen habe ich keine Zahlen, also zB Logopädie, Gesichtsform, Stimmbänder, Adamsapfel, usw.

So viel zu „die machen das aus Jux und Tollerei / wegen der Aufmerksamkeit“ usw.

(Danke an die Menschen von TG Deutschland Discord und Fetlife für ihre Beiträge)

(c) CC0 – d.h. gerne nehmen und weiterverwenden.