Frühjahr 2022. Seit die Ampel-Koalition angekündigt hat, das TSG abzuschaffen und ein Selbstbestimmungsgesetz einzuführen, mobilisiert die Gegenseite mit allerlei Behauptungen, die bestenfalls übertrieben, eigentlich aber reine Phantasie sind (merke: Ja, ich bin voreingenommen 😉).
Diese Phantasiebehauptungen schaden trans Personen, ganz unabhängig vom Selbstbestimmunggesetz.
Hier eine Sammlung von Informationen, sachliche, rechtliche, wissenschaftliche, die diese schädlichen Mythen widerlegen. Im Laufe der Diskussion wird die Sammlung erweitert.
Sollte ein Link nicht mehr funktionieren bitte Bescheid geben (jaddy(at)enby-box.de). Ich habe PDF-Versionen der Texte gesichert.
“Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden? – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit” (BV Trans) (Link)
“Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetz (TSG)” (LSVD) (Link)
“Trans*feindliche Mythen – Einige Richtigstellungen” (transinterqueer) (PDF)
“Trans*: Hype der Gender-Ideologie und Gefahr für Kinder und Jugendliche?” (LSVD) (Link)
Basisinfos Trans und Stand der Wissenschaft
“Trans* ganz einfach – im Job, in der Familie, auf Klassenfahrten – Praxisnahe Infos für Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte” (BV Trans) (Link)
“Die Sache mit dem Geschlecht” (fluter, Heinz-Jürgen Voß) (Link)
“Detransition im Spannungsfeld der öffentlichen Debatte; Berichte von und über Personen, die eine Transition anhalten oder in eine neue Richtung entwickeln, häufen sich. Doch wie viele Menschen wünschen sich tatsächlich eine Detransition? Was sind Gründe dafür? Was bedeuten diese Erzählungen für die Gesundheitsversorgung von trans* Personen?” (Regenbogenportal) (Link)
Medienbeiträge
Lila Podcast: “Trans sein und Feminismus: Hintergrund und Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz – mit Tessa Ganserer, Katja Husen, Hagen Löwenberg und Leah Oswald – Was ist das Selbstbestimmungsgesetz? Warum ist es wichtig und wer will es verhindern? Warum sind manche Feministinnen dagegen – sogenannte TERFs – und wie begegnet man deren Argumenten? Was sind die aktuellen Erkenntnisse aus Biologie & Psychologie?”, (Link)
Zu einzelnen Personen
Rezensionen zu A.Schwarzer
“9 Kritikpunkte an Alice Schwarzers gefährlichen und falschen Thesen zu “Transsexualität” (LSVD) (Link)
“Dieses Buch schadet trans* Personen! Alice Schwarzers neues Buch verbreitet Menschenfeindlichkeit!” (BV Trans) (Link)
Update: Antworten werden unten angehängt und kommentiert
Auf Twitter äusserte ich die Hoffnung, dass das Selbstbestimmungsgesetz in 2022 endlich Realität wird und bekam darauf folgende DM:
Ein Hoch darauf, dass Frauen dann keine Schutzräume mehr haben, in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden und der Frauensport zerstört wird? Dass Statistiken in Wissenschaft, Medizin und Kriminalität verfälscht werden? Sicher, dass du das willst?
Meine Antwort
Die Bedenken kenne ich und kann ich nachvollziehen bei jenen, die wenig praktische Erfahrungen mit trans Personen haben (bzw sie als trans Personen (er)kennen). Die Erfahrungen aus Ländern mit einem solchen Selbstbestimmungsgesetz zeigen aber, dass die Befürchtungen in der Praxis unbegründet sind. Also zum Beispiel Dänemark, Schweden, Malta, Irland, Island, Uruguay, Argentinien.
tl;dr ein geänderter Personenstand nützt dir nix, um irgendwo einzudringen oder Unfug zu machen. Brauchst du schlicht nicht, macht höchstens tierisch Aufwand und reichlich Folgeprobleme. Die einzigen Vorteile sind richtiger Name und Anrede und dadurch ein gutes Gefühl (für trans Personen).
Mal im Detail:
Zu allererst ist wichtig, was ein Selbstbestimmungsgesetz, wie 2020 von Grünen und FDP jeweils vorgeschlagen, eigentlich regelt und was nicht: Den standesamtlichen Geschlechtseintrag im Personenstand und optional die Vornamen. Sonst nichts. Keine Privilegien, keine rechtlichen Vorteile, keine Eintrittskarte irgendwo.
In Schutzräumen gilt wie überall Hausrecht, und diejenigen, die es ausüben haben eh schon Erfahrung damit, mit Personen unterschiedlicher Vulnerabilität umzugehen und die verschiedenen Bedürfnisse auszugleichen. Ich kenne trans Personen im betreuten Wohnen, wo das mit etwas gutem Willen gut funktioniert hat, aber auch Personen, die im Krankenhaus mit dem Bett auf dem Gang standen, weil es kein “passendes” Zimmer gab. Das ist also eher eine Frage der Ausbildung und Möglichkeiten des Personals dort.
Dass es generell zu wenig Schutzräume gibt ist völlig klar. Die Betroffenen gegeneinander auszuspielen, bzw die einen einfach untern Bus zu werfen, ist aber keine Lösung.
Bei privaten Versammlungen, Veranstaltungen und Orten wie Frauencafés etc gilt ebenso Hausrecht, wie in jedem Club, jedem Lokal und jedem Verein. Ob du da mit einem anderen Namen im Ausweis auftauchst ändert in der Praxis nichts daran, ob du rein kommst und drinnen bleiben darfst[1].
Ganz realistisch wird kein Gewalttäter das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen, um in Frauenräume einzudringen. Es lohnt einfach den Aufwand nicht, benötigt viel zu viel Vorarbeit und Folgekosten, um zum Beispiel erstmal Papiere auf einen neuen Namen zu ändern, etc., um dann in der Praxis keinen messbaren Effekt zu haben.
Der offizielle Personenstandseintrag ist im täglichen Leben quasi ohne Belang. Ich sage das als nicht-binäre trans Person mit dem Eintrag “divers” seit 2019. Ich muss überall darauf hinweisen und habe ausser der Geburtsurkunde keinerlei Nachweis (steht ja nicht im Perso oder so). In der Praxis werde ich in jedem Fall optisch einsortiert und entsprechend unterschiedlich akzeptiert und behandelt. Das wäre mit jedem anderen eingetragenen Personenstand genau das gleiche. Du kannst als trans Person höchstens beschweren, klagen, was weiss ich, aber wenn die Leute nicht wollen, hast du keine Handhabe.
Das heisst, wer in böser Absicht irgendwo eindringen will, braucht keinen neuen Personenstandseintrag, sondern eher optisches Passing und passende Manierismen, Stimme, usw. Das erfordert den immensen Aufwand einer körperlichen Transition. Ich sage dir aus eigener Erfahrung: Das macht kein Mensch “mal eben so”. Wer es auf Gewalt gegen Frauen anlegt, hat dazu – leider – massiv viele andere Gelegenheiten mit minimalem Aufwand (und ohne sich amtlich als Frau eintragen zu lassen; hallo Männlichkeitsbild).
Dieses männliche Selbstbild verhindert auch, dass sich Männer über geänderten Personenstand anderswo Vorteile verschaffen. So mies es klingt, es hängt an der immer noch in den Köpfen existierenden Hierarchie: Männer oben, Frauen darunter – und nicht-binäre Personen generell ausgeblendet. Also welcher cis-männliche Sportler würde sich per Selbstbestimmungsgesetz einen weiblichen Personenstand holen, um dann Preise abzuräumen, nur um dann den Spott seiner männlichen Kollegen zu riskieren, dass “es wohl bei den Männern nicht gereicht hat”? Welcher cis-Mann würde sich einen Posten per “Frauenquote” holen und dann in der Firma/Amt arbeiten? Machen wir uns nichts vor: Diese hierarchische Denke steckt letztlich dahinter und der soziale Druck regelt.
Statistiken… sind eh problematisch, weil sie in der Regel cis-binär gebaut werden und nicht klar ist, nach was genau sie eigentlich differenzieren wollen. Chromosomen? Körperliche Erscheinung? Amtlicher Personenstand? Selbstverortung? Und zu welchem Mehrwert an Erkenntnis?
Die Frage ist zum Beispiel bei Kriminalstatistiken, welche Taten überhaupt einen Bezug zu bestimmten geschlechtlichen Aspekten haben. Wo ist welches Merkmal entscheidend für Opfer und Täter•innen?
In der Medizin muss eh noch mal anders gearbeitet werden, nämlich nicht pauschal, sondern anhand der für den Fall relevanten Parameter. Geht es um Chromosomen, Organe, Hormone? Ich hab zB das Thema mit der Gesundheitskarte. Da steht ein X für meinen standesamtlichen Personenstand drauf und die Kasse geht nach diesem, nicht nach meinen körperlichen Bedürfnissen. Folge: Ich bekomme keine automatischen Vorsorgeuntersuchungen, obwohl ich eigentlich mehr und andere als früher brauche. Auch wo mein Körper nach der Hormonumstellung jetzt eigentlich anderes tickt ist eine ständig offene Frage[2].
Letztlich ist aber der Fehlerfaktor in Statistiken durch Menschen mit geändertem Personenstand gegenüber der normalen Unschärfe und Fehlern vernachlässigbar, dass wird jede•r Expert•in bestätigen. Sprich: Trans Personen fallen mangels Menge statistisch einfach nicht ins Gewicht[3].
Aktuelle Studien zur Häufigkeit[4] gehen in Richtung 1-3% Menschen, die im weitesten Sinne mit ihrem Zuweisungsgeschlecht Probleme haben. Ein Drittel davon ordnet sich nicht-binär ein. Es ist völlig offen, wie viele davon ihren Eintrag ändern lassen würden, wenn das in D nicht mehr 1500-2000€ kostet und zwei ziemlich invasive, Intimsphäre verletzende Gutachten braucht, die nachweislich gar nichts feststellen können, ausser vielleicht die Fähigkeit, Stereotypen “vortanzen” zu können.
Fazit: Die Befürchtungen verstehe ich, aber sie sind nach den Erfahrungen aus anderen Ländern unbegründet und eventuelles Missbrauchspotenzial in der Praxis gleich Null. Es gibt potenziellen Missetätern einfach keine Vorteile sondern eher Aufwand und Nachteile. Stattdessen können sie sehr viele andere Gelegenheiten nutzen. Schutzbereiche können mit bereits etablierten Methoden gesichert werden. Und der statistische Faktor fällt in der Masse einfach nicht ins Gewicht.
[1] Tatsächlich haben sehr viele trans Personen erhebliche Ängste, in gegenderte Räume zu gehen. Aslo in Toiletten, Umkleiden, usw.
[2] Ein Arzt meinte, ich hätte Eisenmangel, dabei hatte er nur in die falsche Referenztabelle geguckt. Bei der Covid-Schutzimpfung war unklar, in welche Risiko-Kategorie ich falle. Wären meine Symptome für Herzinfarkt eher typisch männlich oder typisch weiblich?
[3] Die Betreuung von trans Personen leidet massiv unter einem Mangel an qualitativ guten Studien, einfach weil nirgendwo eine solide Anzahl von Teilnehmenden zustande kommt. Hormonumstellung ist guess work, usw
[4] s. die [S3-Leitlinie](https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/138-001.html) “Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit”
Gegenargumente, die keine sind
Es gab eine Antwort mit einigen Punkten, wo offenbar einiges missverstanden worden war. Hier die Argumente in Zitaten und meine Antworten dazu.
Das Hausrecht soll nirgends mehr gelten. Jeder wird wg. des geplanten Gesetzes mit einem Bußgeld belegt, wenn er jemanden aufgrund des Geschlechts nicht reinlässt: Frauen-vereine, -stammtische, -umkleiden, WCs, -quote, Arbeitsplätze etc.
Dazu der Verweis auf die Passagen Ordnungswidrigkeiten der Gesetzentwürfe von FDP und Grünen. Großes Missverständnis. Hier die beiden Wortlaute:
Gesetzentwurf der FDPGesetzentwurf der Grünen
Die Ordnungswidrigkeiten beziehen sich ausschliesslich darauf, dass die früheren Namen und Personenstände nicht ohne Zustimmung genannt, also “offenbart” werden dürfen. Das heisst misgendern, “hiess früher mal soundso”, “war mal …”, etc. könnten dann auf Anzeige mit einem Bussgeld belegt werden. Damit haben Personen eine Handhabe gegen Behörden, Firmen und andere, die sie outen.
Falsch ist außerdem Deine Behauptung, man müsse Hormone und/oder Chirurgie anwenden. Du kannst mit Vollbart, mit Penis und Hoden, ohne irgemdetwas an Dir modifiziert zu haben, zum Standesamt gehen und dein Geschlecht ‘ändern’. Wegen des Bußgeldes von bis zu 2.500 Euro riskiert niemand mehr eine Nachfrage, was übersetzt bedeutet: Jeder, absolut jeder Mann, kann ungehindert in Schutzbereiche für Frauen. Kann man sehr schön im Ausland sehen, dort geschieht genau das.
Das mit Hormonen habe ich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Nein, für die Personenstandsänderung braucht es auch jetzt schon keine körperlichen Modifikationen. Das hat das BVerfG 2011 aus dem TSG ausgeschlossen (BVerfGE v. 11.1.2011 I 224 – 1 BvR 3295/07).
Allerdings ging es da nur um die Zwangs-Sterilisation für eine Personenstandsänderung. Auch nach TSG brauchte es (bis 2011) keine Hormone, sondern “nur” eine Genital-OP, um zeugungs- bzw gebärunfähig zu sein.
Grund dafür: Das TSG von 1981 wollte damit und mit der Zwangsscheidung um jeden Preis verhindern, dass trans Personen “durch die Hintertür” eine gleichgeschlechtliche Ehe womöglich mit Kindern haben können. Das hat sich seit der “Ehe für (fast) alle” 2017 eh erledigt.
Was ich mit der Passage meinte: Um sich als cis Mann o.ä irgendwo einzuschleichen, braucht es keinen Personenstand sondern viel eher physische Verkleidung – und das dürfte schnell auffliegen.
Ein Grüner hat den Grünen bei einem Parteitag vorgeführt, wie der Sprechakt in der Realität funktioniert. Es haben Zeitungen darüber berichtet.
Ja. Hat er. Er hat sich als Frau bezeichnet und mit dieser Begründung auf einen (quotierten) Frauenplatz setzen lassen. In der “Emma” hat er dazu einen Artikel geschrieben.
Er wurde nicht gewählt. Kurz danach wurde er aus seiner Stellung als Mitarbeiter einer grünen Landtagsabgeordneten gekündigt.
Das Beispiel zeigt eigentlich genau, was ich meine: In der Realität regelt sich das sehr pragmatisch, bzw wie der eine Kommentar sagt: “Aber das Wahlergebnis habe gezeigt, meint sie, dass die Partei gute Schutzmechanismen habe und nicht einfach irgendwelche Männer gewählt würden”.
Natürlich war die Aktion “Scheisse”. Weil sie ein fiktives Problem deklariert, aber ein reales ausblendet, nämlich wie in der Realität mit trans Personen umgegangen wird: Ein geänderter Personenstand nützt dir in der Praxis gar nichts. Weder um irgendwo rein zu kommen, noch um irgendwo gewählt zu werden – und auch nicht, um als reale trans Person respektvoll behandelt zu werden.
Plattdüütsch (“Plattdeutsch”) war in weiten Teilen Norddeutschlands die Standardsprache und sogar eine der Hauptsprachen der Hanse. Über die Wanderungsbewegungen ist es mit Englisch und Niederländisch verwandt. Beim Thema “gendern” ist es viel einfacher als Hochdeutsch.
Plattdüütsch kennt statt “der, die, das” nur zwei bestimmte Artikel: “de” (f,m) und “dat” (n). Wie im Englischen heisst es “de Mann, de Vro (Frau), de Jong (Junge), de Deern (Mädchen)” (aber “dat Kind”).
Statt “ein, einer, eines, man” gibt es nur den unbestimmten Artikel “een”, verwandt mit engl. “one” und sehr ähnlich benutzt: “Dat kann een so moken”, “Das kann man so machen”.
Een ist sehr praktisch. “Niemand” wird zum Beispiel wie engl. “noone” zu “keen een” (“keinein”). “Jemand” ist auch “een”. “Kann mi dat mol een verklaren?” – “Kann mir das mal jemand erklären?”.
Der Twitter-Account “De Plattfoorm” (@plattfoorm) hat es in einer Infografik zusammengefasst:
Übersetzung
Gendern auf Platt – So geht das! 1. Teil: Mit Pronomen arbeiten Neben den zwei geschlechtlichen Pronomen “se” (“sie”) und “he” (“er”) kennt Platt auch “de” und “een”, die immer gehen (funktionieren). Beispiel: “Ich kenne einen/eine, der/die betrügt” -> “Ik kenn een, de betrüggt”.
Problem: “de” wird “den” nur für Maskulina im Objektfall (Akkusativ): “De Mann schrifft den Breev” (“Der Mann schreibt den Brief”) “De Mann süüt de Vro” (“Der Mann sieht die Frau”) Lösung: Doppelform oder Genderzeichen – de*n | de:n | den oder de (1) “Wanneer kann ik de*n | de:n | den oder de denn anropen?” (Wann kann ich den_die | den oder die denn anrufen?”)
“Koch oder Köchin” – “Ein*r, der*die kocht | in der Küche arbeitet” “Politiker*innen” – “der*die, der*die regiert | in der Politik ist|sind” “Reisende” – “Leute|Menschen|Personen, die auf der Reise sind”
Das ist typisch Plattdeutsch und braucht trotzdem keine Änderung zum Gendern.
(1) Stern, Unter-, langen, schrägen Strich, Doppel, Mittel oder normalen Punkt – Hauptsache gendern!
Geschätzt über 95% der Menschen da draussen kommen nicht mal auf den Gedanken, dass ihnen weder ein “Mann”, noch eine “Frau” gegenüber steht. Sie versuchen nach Augenschein binär einzuordnen, um eins dann höflich zu behandeln, in der Form, die ihnen zutreffend erscheint.
Das heisst natürlich: immer falsch. Ich werde “ge-herrt”, “ge-fraut”, “ge-sohnt”, “ge-tochtert”.
Deshalb wurde dieser freundliche, kleine Flyer entworfen, mit absoluten Basisinformationen zum Thema, den ich völlig unbedarfte Menschen in die Hand geben kann.
Zahlreiche gute Ideen und Beiträge aus dem Discord “Nicht-binäre Menschen” sind eingeflossen.
(Klick für großes Bild)
Die Druckvorlage kann als Open Document Draw (LibreOffice) und als PDF geladen und verwendet werden. Sie steht unter CC0, d.h. sie darf beliebig kopiert, genutzt und geändert werden.
Die gedruckte Version verschicke ich auch, wenn ich eine Postadresse und die ungefähre Anzahl per Mail an jaddy at enby-box.de erfahre.
1. Wie wird das entschieden ob man körperlich männlich, weiblich oder weder noch ist? Durch die Hormone bin ich ja streng genommen auch nicht körperlich m oder w einzuorden
2. Bekommt eins als nicht-binär GaOp? Oder Hormone?
“Also”, sprach de Großelter und nippte an ens Tee, “das ist so:” (Disclaimer: Ich bin weder Juristy, noch Mediziny)
Das Gesetz spricht nur von “Variante der Geschlechtsentwicklung” (VdG). Das ist aber kein definierter Begriff. Weder rechtlich, noch medizinisch. Deshalb haben “sie” (das Bundesinnenministerium, BMI) in die Begründung zum Gesetz – die ist Teil des Gesetzentwurfs, der dem Parlament vorgelegt wird – hineingetextet, dass VdG sich auf den “Chicagoer Konsens” beziehen soll.
Dieser Konsens-Katalog wurde 2005 von einem Kongress hauptsächlich US-amerikanischer Kinderärztys(!) festgelegt und umfasst nur Varianten der Gonaden (Hoden, Eierstöcke), Genitalien oder Chromosomen. D.h. er beinhaltet zB nicht etliche hormonelle Varianten, die erst später testbar werden.
Das ist also eigentlich bullshit, selbst wenn nur alle inter Personen gemeint werden sollten. Anyway, steht so in der Begründung.
Es steht nicht im Gesetz selbst, denn das wäre wohl sofort per BVerfG abgeräumt worden, siehe unten.
Weil es aber nicht im Gesetzestext selbst steht, also in den Paragraphen (45b PStG), weiss das Standesamt das genau genommen nicht, bzw. muss sich nicht so wirklich drum kümmern. Da wird Juristerei interessant *smile*
Das StA muss sich an den Buchstaben der Paragraphen halten, beziehungsweise an gerichtliche Beschlüsse. Sonst nichts. Auch keine “Rundschreiben” des Innenministeriums. Als Landesbehörden schon mal gar nicht.
Deshalb können sie, wenn sie nett sind, ins Gesetz gucken und sagen “ich will nur eine ärztliche Bescheinigung, dass bei dieser Person eine ‘Variante der Geschlechtsentwicklung’ vorliegt. Und wenn das drauf steht, ist das wie und warum nicht mehr meine Sorge”.
Sprich: Das StA darf/muss sich nicht um die medizinischen Details kümmern (weil weder kompetent, noch verpflichtet) und die Ärztys müssen sich nicht um die rechtlichen Details kümmern. Höchstens sollten sie eine plausible Begründung parat haben, weshalb diese Person ihrer medizinischen Anscicht nach eine VdG aufweist.
Und da hat Manfred Bruns (LSVD) damals argumentiert, dass eine wie auch immer geartete trans Geschichte, binär oder nicht-binär, völlig ausreichend sei, denn – wichtiger Punkt: Das BVerfG und sämtliche kompetenten Verfassungs- und Personenstandsjuristys sind sich einig, dass der Personenstand im Register sich auf die gelebte soziale Rolle bezieht und nicht auf die körperlich/medizinische Konstitution. (Siehe dazu auch das Gutachten von Mangold et.al. (PDF))
Deshalb hat das BVerfG ja auch die Zwangssterilisation aus dem TSG rausgeschossen.
Und zum Thema Hormone und OPs: * technisch/medizinisch: ja, * bezahlt von den Kassen: schwierig.
Die Medizinys wollen normalerweise eine Absicherung, dass die Behandlung notwendig ist. D.h. in der Regel psychologische Indikation mit Behandlungsempfehlung. Nur damit sie später nicht haftbar gemacht werden können, weil da eins gerade in einer schwierigen Phase war und sich eine nicht hilfreiche Lösung ausgedacht hatte. (Ausnahmen sind gewisse Endos, die sich von überzeugenden Leuten gewissen Alters beeindrucken lassen, die offenbar gut informiert, mit supportiver Partnerperson und Historie der Selbstmedikation auftauchen *flöt*)
Technisch darf jedes Mediziny mit Zulassung für einen Rezeptblock Hormone und alle anderen Medikamente verschreiben. Das ist sogar so irrwitzig, dass sie alles, was nicht direkt der Heilung dient verschreiben dürfen, solange sie fach- und sachgerecht (“nach allen Regeln der Kunst”) darauf achten, dass es nicht schadet.
Normalerweise übernehmen Kassen bei Hormonen auch die Abrechnungen einfach. D.h. da braucht es keine Bewilligungen.
Bei OPs und anderen non-standard Leistungen wird’s knifflig mit den Kassen. Als nicht-binäre Person fällt eins aus dem System, das da heisst Begutachtungsanleitung (BGA) des MDK. Diese BGA haben sich die Kassen und ihr beauftragter Dienst selbst gegeben, in Abstimmung mit dem “Gemeinsamen Bundesausschuss”(GBA) meines Wissens. Da steckt auch das Gesundheitsministerium und andere mit drin.
Die aktuelle Begutachtungsanleitung für “trans” ist von Ende 2020 und sagt explizit, dass sie nicht für Nicht-binäre gilt.
Und das bedeutet: Einzelfallentscheidung. Gutes Therapeuty suchen, de eine sehr gute Begründung für die absolute Notwendigkeit der Behandlung schreiben kann, sich auf Ablehnung einstellen, Widerspruch einlegen, nochmal schreiben, Anwälty einschalten, mit offiziellem Briefkopf schreiben lassen, usw.
In einem anderen Forum wurden mal wieder “die Kosten für die Solidargemeinschaft” aka Krankenkassen-Leistungen angesprochen und Leistungen wie Stimmband-OPs oder Gesichtsfeminisierungen als quasi überflüssig dargestellt.
Dieses – in meinen Augen – Pseudo-Argument der Kosten für die Solidargemeinschaft finde ich immer wieder putzig, aber auch erschreckend. Putzig, weil offenbar die Relation der Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen im Gesamtbudget des Kassensystems nicht klar sind. Erschreckend, weil die Sprache und Denke, neudeutsch: Narrativ, framing, priming, von rein wirtschaftlich/”liberal” ausgerichteten Interessengruppen reproduziert wird, die auf jeden Fall garantiert nicht solidarisch interessiert sind, sondern aktiv ausgerechnet bestimmte Leistungen verknappen, die tatsächlichen Verhältnisse jedoch verschweigen.
Mal zu den konkreten Zahlen. In D gibt es jährlich ~2000 GaOPs (2018: 1800). Das sind kostenmässig die größten Klopper, right? Kosten pro Fall um 20.000€. Geben wir mal pro Fall noch 5.000€ für Epilation bei trans Frauen drauf. Dazu kommen jene, die es bei einer Orchiektomie belassen bzw. Mastektomie bei trans Männern, was unter 10.000€ kostet (Kostenvoranschlag der UK Essen für Orchiektomie: 9.500€ als Privatzahly inkl. 6 Tage Aufenthalt).
Also übern dicken Daumen gerechnet könnten wir 25.000€ pro Fall annehmen[1] und – ach, was solls – lass mal 3000 Fälle rechnen. Macht in Summe 75 Millionen Euro pro Jahr. Ui! Was für Zahlen. Oder?
Nein. Im Vergleich der Ausgaben der Kassen – mal nur die gesetzlichen betrachtet – findet sich so ein Betrag gar nicht wieder (Quelle: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/grafiken/gkv_kennzahlen/kennzahlen_gkv_2021_q1/20210706_GKV_Kennzahlen_Booklet_Q1-2021_300dpi_barrierefrei.pdf):
75 Mio€ sind im Gesamtbudget der gesetzlichen Kassen (239 Mia€) gerade mal 0,031%. Alle Angleichungen zusammen inkl Epilation und allen Schnickschnack machen nur 2,2% der Ausgaben für Zahnersatz aus. Oder 5% der Ausgaben für Schwangerschaften/Mutterschaft (ohne stationäre Entbindungen…). Und dafür wird ein immenser bürokratischer Minimierungsaufwand mit Gutachten, Prüfungen, Bescheiden, Widersprüchen, Anwätys usw getrieben – also Kosten in Form von Geld und Nerven verursacht.
OK, aber die anderen 239 Mia€ sind ja alles notwendige Ausgaben, oder? Kommt drauf an. Zum Beispiel auf die Ursachen. Ich nehm mal eine heraus, die willkürlich und vermeidbar ist: Rauchen.
Eine rauchende Person verursacht im statistischen Mittel der Solidargemeinschaft via GKV viel höhere Kosten:
Insgesamt kostet ein lebenslanger Raucher (ab dem Alter von 15 Jahren) die GKV bis zu seinem Tod 90.483 Euro, eine lebenslange Raucherin kostet 529.481 Euro. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist darauf zurückzuführen, dass Frauen in Deutschland nach wie vor weniger verdienen und ihre Erwerbstätigkeitsquote – und damit die Beitragszahlung zur GKV – deutlich niedriger ist als bei Männern.
In Summe jährlich 25 Milliarden direkte Kosten. Jährlich! Das wären eine Million komplette Trans-Angleichungen! Pro Jahr!
Diese Kosten stecken zum großen Teil in den 239 Milliarden GKV Budget. Mit anderen Worten: Irgendwas bei 25% der Kassenausgaben gehen in genau ein freiwilliges, vermeidbares, sich selbst und “die Solidargemeinschaft” schädigendes Verhalten. Ich spare mir die Rechnungen für ähnliche Bereiche wie Alkohol, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Extremsportarten, risikoreiches Verhalten.
Das heisst: “Die Solidargemeinschaft” trägt eine Menge Folgekosten für persönliche Freiheit und auch krass dummen, risikoreichen Lebensstil.
Und ich bin der Meinung, dass das vollkommen in Ordnung ist! Diese Möglichkeit der persönlichen Freiheit ist sogar Staatsziel.
Von daher lasse ich Kostenargumente gegen freizügigere Bezahlung von Angleichungen nicht gelten. Bei unbedarften Privatpersonen kann ich wohlwollend von Unwissenheit bzgl der Zahlenverhältnisse ausgehen. Anders sieht es aus, wenn ihnen die Zahlen bekannt sind. Dann ist es entweder Ignoranz (“mir doch egal wie es dir geht”), Neid (“da kriegt wer mehr als ich”) oder schlicht Transfeindlichkeit.
Interessengruppen und professionellen Meinungsmenschen, Politikys und Funktionsträgys kann Unwissenheit nicht zugute gehalten werden, wenn sie sich zum Thema äussern. Das gebietet schon die Redlichkeit im offiziellen Diskurs. Ziemlich sicher stecken da andere Interessen hinter. Das sind zum einen wirtschaftliche – mehr Gewinne für Aktionärys – oder eben wieder trans- und queerfeindliche Ansichten, die mit “Kosten für die Solidargemeinschaft” verdeckt und zur Stimmungsmache genutzt werden sollen.
[Disclaimer: Ich habe 28 Jahre als Arbeitnehmy in die GKV eingezahlt und seit 2016 Jahren als Freiberufly. In Summe mehr als 150.000€. Trotzdem habe ich dank des binär augerichteten Systems meine Transition mit bisher ca 20.000€ selbst bezahlt. Die Alternative wäre gewesen, mir jahrelange Auseinandersetzungen mit Kassen und MDK und Gutachtys zu liefern, weil nicht-binäre Transition bisher in keinen Regularien vorkommt. Ich hätte es einzeln mit Gutachten usw. einklagen müssen. Glücklicherweise hatte ich die privaten Ressourcen. Ich neide anderen nichts, was sie von Kassen gezahlt bekommen, denn ich weiss, dass das Geld da wäre.]
[1] nicht gerechnet die eingesparten Kosten für Langzeitfolgen, die durch den Leidensdruck durch eine nicht erfolgte Transition entsteht, zum Beispiel Sucht, psychische Erkrankungen, etc.
Meint: Was trans Personen so an Aufwänden und Widerständen zu bewältigen haben, um einfach nur gemäß der “freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit” nach zu leben. Siehe auch “WelchePrivilegien“.
Entstanden, nachdem eine cis Person sehr verwundert über das Blutspendeverbot für trans (und andere) war. Weitere Beispiele werden gerne genommen.
Für Personenstand, geänderte Vornamen, Papier, etc:
Neuer Personenstand und Vorname nur per Gerichtsbeschluss, mit zwei gerichtlich bestellten psychologischen Gutachten (Kosten: 1500-2000€). Dabei ist unter Fachleuten Konsens, dass eine Geschlechtsidentität nicht wirklich getestet oder begutachtet werden kann. Viele Gutachtys “testen” deshalb eher auf Klischeetreue, sprich: Dass die Person wie eine Klisscheefrau bzw Klischeemann dort aufläuft und die passende Rolle “vortanzt”, inklusive “passender” Kindheit.
Bei nicht-binären gibt es quasi nichts zu begutachten. Wie soll ein Mensch “beweisen”, weder als Mann, noch als Frau zugeordnet werden zu wollen, bzw dass die Zuschreibungen und Klischees psychischen Druck verursachen? Deshalb sind auch kaum Therapeutys oder Gutachtys dafür zu finden und ihre Qualität sehr dürftig.
Die Möglichkeit, als nicht-binäre trans Person den Personenstand “divers” oder “Streichung” per TSG zu erlangen, ist deshalb bisher eher theoretisch. Auch wenn der BGH dies eigentlich durch ein Urteil in 2020 eröffnet hat.
Alle Kosten und Aufwände für die Änderungen von Konten, Verträgen, Versicherungen, Autos, Führerscheine, Pässe und Ausweise, Zeugnisse. Eigene Grundbucheinträge ändern ist… diffizil.
Beim Wechsel weg von und nach “männlich” wird eine neue Rentenversicherungsnummer fällig. Darin ist nämlich der amtliche Gendermarker kodiert. Übrigens nach dem Schema “50% für männlich, der Rest für .. den Rest” (also inkl “divers” und “ohne Eintrag”)
Name und Anrede bei Firmen, etc. ändern geht auch in unsinnigen Fällen häufig erst mit neuer Geburtsurkunde. Selbst bei Ärztys für die Transition.
Eigentlich dürfen die alten Namen nach Gerichtsbeschluss nicht offenbart werden. Da das Verbot aber nicht strafbewehrt ist, muss im Zweifelsfall zivil auf Schadenersatz / Schmerzensgeld geklagt werden.
Bei der Eheurkunde kann das Standesamt die Änderung einfach ablehnen
Elternschaft bei Paaren mit trans Personen: Absolutes rechtliches Nebelgebiet.
Gebärende trans Männer werden als Mütter eingetragen. usw.
Peronen mit “divers” können möglicherweise amtlich keine Eltern werden.
Bei Elternschaft innerhalb x Monaten nach Personenstandsänderung kann der Wechsel u.U. zwangsweise rückabgewickelt werden.
Nicht vergessen: Das TSG (“Transsexuellengesetz”) von 1981 war vor allem als Gesetz zur Verhinderung von Ehen (und Kindern) ausserhalb der cis-hetero-binären Norm gemacht. Immerhin konnten Zwangssterilisation und Zwangsscheidung über das Verfassungsgericht aus dem Gesetzt rausgeklagt werden. Die Gutachtenpflicht ist die letzte wackelige Säule.
Blutspende ist verboten. Trans Personen gelten pauschal als promisk, Sex-Risikogruppe und_oder Sexworker…
Jetzt ggf Zwangsouting bei den Corona Impfnachweisen, weil nur mit – u.U. gar nicht mehr stimmigem – Ausweis gültig
Bestimmte Jobs sind nicht mehr zugänglich. Bis vor kurzem z.B. Polizei und Zoll: Männliche Personen mussten Hoden vorweisen können, um eingestellt zu werden, was transmännliche und bestimmte inter Personen ausschliesst.
Verbeamtung und “sicherheitsrelevante” Jobs sind u.U gesperrt, weil eine trans Person ja (Zwangs)Psychotherapie hatte.
Schutzräume für Frauen sind auch gerne trans-abweisend.
Für körperliche Angleichungsmassnahmen:
Zwangstherapie. Erst mal 12 Sitzungen Psychotherapie und zwar am Stück von kassenmässig anerkannter Fachperson, bevor die Krankenkasse auch nur irgendwas bewilligt (s. BGA des MDS). Therapieplätze sind kaum zu kriegen, viele trans Personen brauchen keine und belegen damit Ressourcen.
Für viele OPs wollen die Kassen bis zu 18 Monate Therapie für die Bewilligung nachgewiesen haben. Wie gesagt: Am Stück. Therapeuty wechseln o.ä. macht häufig Probleme
Nur wenige Therapeutys sind real für trans qualifiziert. Es gibt keine formale Qualifikation, was gut und schlecht zugleich ist.
Psychologische Indikationen notwendig für alles und zwar einzeln: Hormontherapie, Epilation, genitale Angleichungen, Brust-Aufbau bzw Mastektomie, Logopädie, Hysterektomie, usw.
Alltagstest. Eigentlich abgeschafft, aber einige Therapeutys wollen den immer noch. D.h. 6-12 Monate “100% im Geschlecht leben” – bevor irgendwelche Massnahmen bewilligt werden, bzw Zwangstherapeuty die Indikation ausstellt. Im Klartext: Coming out von jetzt auf gleich, in Job, Familie, Umfeld, inklusive Kleidung etc., ohne zB Epilation oder Hilfsmittel wie Binder bezahlt zu bekommen.
Für nicht-binäre zahlen Kassen erst mal nix, gemäss ihrer sich selbst gegebenen Richtlinien (BGA des MDS). D.h. es wird pauschal abgelehnt und muss dann einzeln mit Gutachten eingeklagt werden.
Vorsorgeuntersuchungen. Krankenkassen gehen idR nach eingetragenem Gendermarker. Aber einige Menschen haben Brüste und Prostata und_oder Penis und_oder Hoden. Automatisch benachrichtigt wird normalerweise auch nicht.
Die meisten Ärtzys kenenn sich mit trans Anatomie nicht aus, was zu Fehlbehandlungen und Schmerzen führen kann.
Mindestens während der Transition und für nicht-binäre quasi immer:
In öffentlichen, gegenderten Räumen angegriffen oder rausgeworfen werden: Toiletten, Umkleiden, Läden, Schwimmbäder, Saunen, …
Falsche Zuordnung oder Abweisung in Kliniken, bei Polizei und Sicherheitskontrollen.
Aus Sportvereinen rausfliegen und nirgendwo aufgenommen werden
Nicht wenige werden nach Start der Transition unter fadenscheinigen Gründen im Job gekündigt
Wer das Kassensystem umgehen will oder muss (nicht-binär), also selbst zahlen:
Hormon-Umstellung, lebenslang, ca. 500+€/Jahr
Epilation (Gesicht, Körper): 5000-25000€, je nach Behaarung und Haarart/farbe
Personenstand / Vornamen: s.o., ca. 2000€
Genital-OPs je nach Art und Umfang: 10000-25000€. Tw. mehrere Teil-OPs nötig
Brust-OPs je nachdem (Aufbau, Entfernung): 10000-15000€
Auch bei selbstgezahlten OPs und Hormon-Umstellungen wollen die Ärztys idR psychologische Indikationen, die irgendwie realisiert und bezahlt werden müssen
zu anderen Angleichungsmassnahmen habe ich keine Zahlen, also zB Logopädie, Gesichtsform, Stimmbänder, Adamsapfel, usw.
So viel zu “die machen das aus Jux und Tollerei / wegen der Aufmerksamkeit” usw.
Worum geht’s? Die technische Lösung heisst, dass “gegenderte” Phrasen on the fly umgeschaltet werden können. Wo jetzt “Leser und Leserinnen” steht, macht ein Klick daraus “Leser*innen”, “Leserinnen”, “Lesende” – oder “Leser”. Die endgültige Form soll nicht von der Quelle vorgegeben, sondern auf der lesenden Seite wählbar sein, vorzugsweise als Präferenz gespeichert in den persönlichen Einstellung der Empfangsperson.
Flächendeckend eingeführt bekämen also alle zukünftig jeden Artikel in genau ihrer bevorzugten Weise gegendert angezeigt.
Auf den ersten Blick ist die Idee bestechend: “Das Problem unterschiedlicher Vorlieben” – und genau darauf reduziert die Firma das Thema – wird an die Lesenden ausgelagert. Konflikt kann nicht mehr auftreten, weil er gar nicht mehr wahrgenommen wird. Die angesprochenen Probleme der komplexen deutschen Grammatik liessen sich bestimmt auch lösen.
In Wirklichkeit löst diese Idee allerdings gar nichts. Sie blendet nur aus. Das ist natürlich für Schreibende eine riesige Erleichterung, weil sie sich als Primärziel des Ärgers aus dem Thema herausziehen können.
Tatsächlich macht diese Technik aber nicht nur den Konflikt unsichtbar, sondern auch die Menschen, wegen deren Bedürfnisse in der Realität diese Diskussion stattfindet.
Ich als nicht-binäre Person würde bei allen Formen ausser vielleicht “Leser*innen” nicht nur sprachlich ausgeblendet, sondern auch gedanklich. So wie in der Vergangenheit. Wer für sich eine andere Präferenz anklickt, würde meine Existenz nicht mehr für möglich halten – und in den Handlungen auch nicht berücksichtigen.
Das wiederum beträfe mich in der Folge dann ganz direkt. Bei Eingabeformularen, Webshops, Toiletten, in Schuh- und Bekleidungsläden, Umkleiden, Sportvereinen, usw., wo nicht-binäre Bedürfnisse zu fast 100% schlicht nicht vorkommen.
Mit anderen Worten: Mein Nicht-Vorkommen ist eine Folge des Denkens derjenigen, die nicht selbst betroffen sind. Und so wie es mir geht, geht es allen, die normalerweise sprachlich nicht vorkommen – und damit auch nicht gedanklich. Frauen in bestimmten Berufen und Positionen[1], Menschen mit besonderen Bedürfnissen[2], usw.
Die genderneutralen (“Lesenden”) bzw. genderinklusiven (“Leser•innen”) Formen sind explizit dazu da, Menschen an Stellen sichtbar zu machen, an denen sie bisher nicht bedacht bzw. mitgedacht werden.
Und zwar extra für diejenigen, die nicht selbst betroffen sind.
Wenn diese Menschen sich – am besten noch per Voreinstellung – alle Texte auf den Stand des letzten Jahrhunderts zurückklicken können, geht dies am Zweck der Formen und dem zugrundeliegenden Problem als Ursache vorbei. Die Lesenden bekommen eine individualisierte Scheinwelt vorgespielt.
Die technische Lösung vertieft bzw. verlängert also die Spaltung, statt tatsächlich etwas zu lösen. Und schlimmer noch: Sie könnte als “Argument” verwendet werden, dass doch jetzt alle zufrieden sein sollen.
Einfacher wäre an vielen Stellen, wenn qualifizierte Menschen von vornherein bewusst inklusiv texten würden. Und da könnte Software meiner Ansicht nach tatsächlich helfen: Indem sie Stil, Formulierungen, Sprache und Layout auf Inklusivität und Barrieren prüft und Verbesserungen vorschlägt.
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[1] Die Studien zum impliziten Gender-Bias bei Berufen, etc. sind vermutlich bekannt. [2] Betrifft bei Texten zum Beispiel Farbe sehen, Kontrast, leichte Sprache, Eignung für Vorlesesoftware.
Das plastische Gehirn: “The brain is the source of behavior, but in turn it is modified by the behaviors it produces.” Zatorre, Robert J., R. Douglas Fields, and Heidi Johansen-Berg. “Plasticity in gray and white: neuroimaging changes in brain structure during learning.” Nature neuroscience 15.4 (2012): 528. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3660656/pdf/emss-48836.pdf
Auf die Größe kommt’s an
Die bisher umfangreichste Studie: Ritchie, S. J., Cox, S. R., Shen, X., Lombardo, M. V., Reus, L. M., Alloza, C., … & Liewald, D. C. (2018). Sex differences in the adult human brain: evidence from 5216 UK Biobank participants. Cerebral Cortex, 28(8), 2959-2975. https://academic.oup.com/cercor/article/28/8/2959/4996558
Verschieden vernetzt
Ingalhalikar, M., Smith, A., Parker, D., Satterthwaite, T. D., Elliott, M. A., Ruparel, K., … & Verma, R. (2014). Sex differences in the structural connectome of the human brain. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111(2), 823-828. http://www.pnas.org/content/pnas/early/2013/11/27/1316909110.full.pdf
Kritische Antwort: Joel, Daphna, and Ricardo Tarrasch. “On the mis-presentation and misinterpretation of gender-related data: the case of Ingalhalikar’s human connectome study.” Proceedings of the National Academy of Sciences 111.6 (2014): E637-E637. http://www.pnas.org/content/111/6/E637
Antwort der Autoren: Ingalhalikar, Madhura, et al. “Reply to Joel and Tarrasch: On misreading and shooting the messenger.” Proceedings of the National Academy of Sciences (2014): 201323601. http://www.pnas.org/content/111/6/E638
Typisch Mann, typisch Frau – typisch Ich?
Die Mosaik-Theorie – Warum es nicht DAS männliche Gehirn und DAS weibliche Gehirn gibt Joel, Daphna, et al. “Sex beyond the genitalia: The human brain mosaic.” Proceedings of the National Academy of Sciences112.50 (2015): 15468-15473. http://www.pnas.org/content/pnas/112/50/15468.full.pdf
Antwort der Autoren: Joel, D., Persico, A., Hänggi, J., Pool, J., & Berman, Z. (2016). Reply to Del Giudice et al., Chekroud et al., and Rosenblatt: Do brains of females and males belong to two distinct populations?. Proceedings of the National Academy of Sciences, 113(14), E1969-E1970. http://www.pnas.org/content/pnas/113/14/E1969.full.pdf