Wenn IT Namensfelder ganz perfekt richtig machen will…

Das Webportal meiner Versicherung war doch sperrig, weil es meine Daten für „fehlerhaft“ hielt – weil ich in deren DB ohne Anrede bin. (Ja, ich bin deshalb tatsächlich über sechs Monate nicht an meine Daten gekommen. Hat deren IT mir bestätigt.)

Sie haben es geändert! Alles geht.

Aber das Formular für Namensänderung ist eine IT-Perle!

Bild 1: So sieht’s aus.

Ein Eingabeformular für Name und Geburtsdatum. 

Zusaätzlich zu Vorname und Nachname können "Titel", "Vorsatz" und "Nachsatz" aus Drop-Down-Listen ausgewählt werden.

Die Auswahllisten (Inhalte in Bild 2) sind lang, aber sicher nicht vollständig.

Was fällt auf? Die Anrede, die Ursache des Problems, ist raus. Weg. Gibt’s nicht mehr. Braucht offenbar keinein ?.

Aber die Listen für „Titel“, „Vorsatz“ und „Nachsatz sind bemerkenswert. Kein Scherz.

Die Liste "Titel" beinhaltet 112 Einträge.
Die Liste "Vorsatz" 67.
Die Liste "Nachsatz" 6.

Titel sind u.a. Prinz, Vikar, Dekan, Dr. Dr. Dr., aber zum Beispiel nicht "Dipl-Inform"

Vorsatz sind z.B. von, zu, de la, auf dem.

Nachsatz sind römisch 1 bis 3, jun und sen.

„Aber jetzt ist es bestimmt perfekt für alle“ – Nope. Mal abgesehen davon, dass der Vorname nicht änderbar ist, der Nachname schon (das mit dem Heiraten kennen die meisten, Vornamensänderungen offenbar – noch – nicht).

Die Listen sind bei weitem nicht vollständig, der Ärger bei fehlendem „Dipl.Inform“ oder ähnlichem sicher.

Ich empfehle deshalb „Falsehoods, programmers believe about names“ … und Freitextfelder.

Artikel zum „abgesagten Vortrag“ an der Humboldt-Uni

Es geht um den Vortrag einer Biologie-Doktorantin (V.) der Humboldt-Uni zur „Langen Nacht der Wissenschaften“. Diese Person hat sich in der Vergangenheit u.a. auf Twitter durch trans-feindliche und TERFige Statements hervorgetan. Da ihr Vortrag mit dem Titel

Stichtag ist der 30. Juni 2022, an dem der arbeitskreis kritischer jurist*innen an der Humboldt-Uni den Protestaufruf veröffentlichte und die HU daraufhin aufgrund von „Sicherheitsbedenken“ den Vortrag absagte. Der akj veröffentlichte am 4. Juli 2022 ein ergänzendes Statement.

Wichtig bei den Artikeln ist auch das Datum der Veröffentlichung, weil Protest gegen V.’s Transfeindlichkeit und ihre Hetze, Stalking, Doxxing gegen einzelne pro trans Personen schon lange existierte. Es ist daher seltsam, dass V.s Vortrag offenbar ungeprüft ins Programm kommen konnte.

Stellt sich raus: Der Vortrag war ziemlich sicher als Provokation gedacht, der Protest einkalkuliert. Es ging nie um Wissenschaft. Das ist immer nur der Aufhänger, um rechte, „naturalistische“ Weltbilder zu pseudo-legitimieren. Pseudo, weil die Wissenschaften allesamt viel weiter sind. Interessant auch, dass diese Weltbilder allesamt anti-feministisch sind, was TERFs anscheinend nicht zu stören scheint.

Einordnung der Person, ihres Vortrags und ihrer anti-trans aktivistischen Tätigkeit vor dem 1. Juli

Belltower.news, Sofie Heiberger, 22-05-30: „Natürlich antifeministisch: Argumente gegen die Aussagen von Biologist:innen

Belltower.news, Kira Ayyadi, 22-06-02: „Rechtsalternativer Hass: Neuer gemeinsamer Nenner? Hass auf trans Frauen

Reaktionen nach dem Aufruhr

Berliner Zeitung, Kommentar von Susanne Lenz, 22-07-03: „Vortrag über Geschlecht und Gender abgesagt: Cancel Culture an der Humboldt-Uni“ – Lenz relativiert V. und will explizit nicht inhaltlich auf die Debatte um V eingehen, meint aber zum Thema trans, das bei V ja angeblich gar nicht vorkommen sollte, im letzten Absatz, dass ja noch nicht alles gesagt sei; völlig verkennend, dass es um Hass, Hetze und Menschenfeindlichkeit geht. Siehe unten auch das Interview von Lenz mit Krahe.

Berliner Zeitung, Sonja Dolinsek, 22-07-04: „Anti-Gender-Vortrag an der HU Berlin: Von Cancel Culture kann keine Rede sein

Frankfurter Rundschau, Katja Thorwarth, 22-07-05: „Vortrag von Biologin abgesagt: „Personen wie Vollbrecht geht es nie um biologische Zweigeschlechtlichkeit“

Berliner Zeitung, 22-07-05: „Sexualwissenschaftler zur HU: „Gibt so viele Geschlechter, wie es Menschen gibt““ – Nein, in der menschlichen Biologie gibt es nicht nur zwei Geschlechter und Biologie greift zu kurz.

Berliner Zeitung, Franca Parianen, 22-07-05: „Neurowissenschaftlerin zur HU: Das ist keine Cancel Culture, sondern Fortschritt

infranken.de, Io Görz, 22-07-06: „Humboldt-Universität: Transfeindlicher Vortrag wird nachgeholt – wie war das mit Cancel Culture?

Belltower.news, Sascha Krahnke, 22-07-06: „Transfeindlichkeit: Wie ein abgesagter Vortrag transfeindliche Feminist*innen und Rechtsaußen zusammenbringt

Spiegel, Sascha Lobo, 22-07-06: „Geschlechterdebatte Wie gut finden Sie Zwangssterilisation?“ – Trans existiert, get used to it.

Die Zeit, Dr. Maria Mast & Lena Völkening, 22-07-07: „Debatte um Zweigeschlechtlichkeit: Mädchen oder Junge?“ – Nicht sehr ergiebig, gemässigte Aufklärung aber kein Lösungsansatz.

Tagesspiegel, Tilmann Warnecke, 22-07-08: „Ministerin kommt zur Vollbrecht-Nachholveranstaltung an HU Berlin; Genderfragen, Penis-Tweets und elektrische Fische

Berliner Zeitung, Susanne Lenz interviewt Rüdiger Krahe, Doktorvater von Vollbrecht, 22-07-06: „HU-Biologe: „Der Streit um Zweigeschlechtlichkeit ist so unnötig wie ein Kropf“ – entweder Scheuklappigkeit oder absichtliche Pseudo-Naivität bei Krahe. Bei Lenz vermute ich Absicht wg des Artikels vom 3.7.

Warum?

Erstens besteht Die Biologie nicht nur aus der Zeugung, sondern erforscht auch die Entwicklung aller (drei) beteiligten Individuum und ihre mögliche Variantenbreite. Und da gibt es eben ein breites Spektrum mehrdimensionaler Vielfalt. Inklusive Individuen, die weder Spermien noch Eizellen produzieren, wo die Einteilung schon wieder schwammig wird und ein Rückzugsgefecht auf potenzielle Zeugung beginnt, um sie irgendwie zweizuteilen.

Zweitens wollen V. und ihre Genossys eben nicht bei der reinen Zeugung bleiben, sondern das Modell reiner, eindeutiger Zweigeschlechtlichkeit von der Zellebene bis auf die gesellschaftliche Ebene – Gender – heben und generalisieren. Nennt sich Biologismus. Natürlich benutzen sie absichtlich den mehrdeutigen Begriff Geschlecht. Selbst wenn V. es in dem Welt-Artikel abwiegelt.

Ehrlicherweise und auf der Höhe der Erkenntnisse hätte Krahe wohl eher sagen müssen: „Auf der reinen Zellebene beobachten wir bei Menschen zweigeschlechtliche Zeugung. Daraus lässt sich allerdings nicht auf weiteres schliessen, weder auf die Eltern-Individuen, noch auf das Kind und schon gar nicht auf die gesellschaftliche Interpretation von Körper als Geschlecht“ – und dann in der Fachsprache tunlichst Begriffe vermeiden, die in der Alltagssprache mehrdeutig sind.

Dies alles unterschlägt Krahe. Kann Fachblindheit sein, kann Einverständnis mit V.’s TERF-Agenda sein. Müsste eins recherchieren.

Ältere und andere Texte zum Thema „Wissenschaftsfreiheit? Meinungsfreiheit?“

Schon 21-12-06: Forschung und Lehre, Christian von Coelln: „Wissenschaftsfreiheit: Beschneidet die „Cancel Culture“ die Freiheit der Wissenschaft?

Spiegel, Tanya Falenczyk, 22-07-02: „»Cancel Culture« Ja, wir Jungen wollen nichts Falsches mehr sagen – und das ist auch gut so“ – Reaktion auf einen Vorwurf von Thomas Gottschalk

Seriöse Wissenschaft zum Thema

(2008) „Report of Fertility in a Woman with a Predominantly 46,XY Karyotype in a Family with Multiple Disorders of Sexual Development“ – Genetisch männliche Mütter und weitere Vielfalt in einer Familie

(2014) „Sex Determination: Why So Many Ways of Doing It?“ (Bachtrog D, Mank JE, Peichel CL, Kirkpatrick M, Otto SP, et al. (2014) Sex Determination: Why So Many Ways of Doing It? PLoS Biol 12(7): e1001899. doi:10.1371/journal.pbio.1001899)

(2010) Heinz-Jürgen Voss: „Making Sex Revisited, Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive“ – ein ganzes Buch zum Thema. Historisch und aktuell. Von Voss gibt es auch eine Literaturliste zum Stand der Forschung (Stand 2018).

(2015) Nature, Claire Ainsworth: „Sex redefined, The idea of two sexes is simplistic“ – wunderbare Beispiele an körperlicher Vielfalt. Deutsche Übersetzung: Link, PDF.

(2021) Forrest Valkai (engl) 30minütiger Science Talk auf Youtube, wie komplex „Sex“ (=“biologisches Geschlecht“) bereits auf der genetischen Ebene ist, warum ein einzelner binärer Marker dafür unzureichend ist und ein kleiner Ausflug zu möglichen biologischen Faktoren für Gender.

22-07-08 Heinz-Jürgen Voss: „Die vielen Geschlechter der Biologie – Vortrag und Diskussion zur Debatte an der Humboldt-Universität zu Berlin„. Aufzeichnung auf Youtube, einführende Literaturliste.

Die Ursache

Der Vortrag bei Youtube, gehalten am gleichen Tag im Kanal einer österreichischen TERF – banale 9te Klasse Biologie, die etliches auslässt, sich inhaltlich widerspricht und letztlich den Begriff „Geschlecht“ als Eigentum ihrer Simpel-Biologie claimen will.

Die Zeit, Marie Vollbrecht, 22-07-06: „Humboldt-Universität: Der Vortrag, den ich nicht halten konnte“ – Eine weichgespülte Rechtfertigung, die natürlich ihre anti-trans Agitation auf Twitter und anderswo auslässt. Siehe die Artikel bei Belltower et.al, um das einzuordnen.

Was nach Vornamen & Personenstand zu ändern ist

Eine wahrscheinlich unvollständige Liste. Hinweise gerne an jaddy(at)enby-box.de.

Wenn nur der Personenstandseintrag (Gender, m/w/d/_) geändert wurde, entfallen viele Änderungen, weil der amtliche Geschlechtseintrag keine Rolle spielt. Da aber meist eine Anrede gespeichert wurde, sollte die Stelle informiert werden. Das ist in der Regel formlos möglich, aber häufig nicht sofort erfolgreich.

Die mit „(*)“ markierten Dokumente/Stellen müssen auf jeden Fall angepasst werden, auch wenn nur der Personenstand geändert wurde.

Bei Papierakten zB in ärztlichen Praxen sollte der alte Name/Personenstand nicht durchscheinen, wenn eins nicht dadurch geoutet werden möchte. Einfaches Durchstreichen würde also nicht ausreichen.

1. amtliche Dokumente

  • Personalausweis & Meldebehörde
  • Reisepass(*)
  • Führerschein
  • Kfz-Briefe. Auch Anhänger, Motorräder, Wohnwagen. Der Schein wird dann auch geändert (Achtung bei neueren Autos die kurz vor dem Verkauf stehen – Wertminderung durch zu viele Vorbesitzer)
  • Kraftfahrtbundesamt in Flensburg: Daten kontrollieren weil dort schon mal ein Fehler passiert
  • Grundbuch bei Eigentum von Wohnung, Haus oder Grundstück
  • Wehrdienstzeitbescheinigung
  • Testamente, sowohl eigene, als auch die in denen eins steht
  • Eintragungen im Handelsregister

2. Unterlagen bei Steuer & Sozialversicherungen

  • Finanzamt
  • Steuerkarte/-nummer
  • Sozialversicherungsnummer(*) (nur beim Wechsel von w zu d oder _ bleibt die Nummer gleich)
  • Rentennachweise
  • bei Minderjährigen: Meldung an die Familienkasse wegen Kindergeld

3. Bankdaten

  • Bankkonten
  • Paypal (Achtung, da gab es schon viele Probleme)
  • EC-Karte/Kundenkarte
  • Kreditkarten
  • Sparbuch, Depots
  • Kredite
  • Einzugsermächtigungen
  • Daueraufträge
  • Schufa, Creditreform

4. Gesundheitssystem

  • Krankenkasse(*) da gibt es eine neue Karte. Rechtzeitig neues Foto hinschicken oder Karte ohne Bild fordern.
  • Ärztliche Praxen (mit neuer Krankenkassenkarte)
  • Impfpässe und Zertifikate
  • Patient*inverfügungen
  • Vollmachten für Pflege etc.
  • Schwerbehindertenausweise u.ä.

5. Arbeitswelt

  • Personalabteilung informieren, auch wegen Finanzamt
  • Arbeitsvertrag
  • Mailadresse, Firmeneinträge, Profile
  • Zugangskarten, ggf Schul- und_oder Studierendenausweis
  • Zeugnisse und Zertifikate, auch ältere, siehe unten
  • Gewerkschaftsmitgliedschaft
  • Berufsverbände
  • Online-Profile (Xing, Linkedin, …)

5. Kundenkarten / Mitgliedsausweis / Bonuskarten

Jegliche Art von Verträgen wie:

  • Versicherungen: Privat, Haus/Wohnung, Kfz (alle! S. Kfz-Briefe)
  • Arbeitsvertrag
  • Gesellschaftsvertrag
  • Mietvertrag
  • Hausverwaltung
  • Strom
  • Heizung Gas/Öl
  • Wasser
  • Entsorgungsbetriebe (Müll)
  • Schornsteinreinigung
  • Telefon und Internet, Festnetz, DSL, Mobil
  • Post- und Paketdienst-Ablageerlaubnisse, Paketstation
  • E-Mail Adresse(n)
  • Online-Konten… (Google, Amazon, Apple, Netflix, ebay, …)
  • Kabelfernsehen, GEZ
  • Abonnements, Zeitschriften
  • Vereinsmitgliedschaften, Automobilclub
  • Bahn-Account, ÖPNV, …

6. Zeugnisse und Zertifikate

  • Schul- & Universitätszeugnisse und Abschlüsse
  • Ausbildungsnachweise, Berufsschule
  • Facharbeity-, Gesell:innen- und Meister:inbriefe
  • Arbeitszeugnisse, Zertifikate, Schulungsnachweise
  • Weiterbildungen, Punktekonten

Bad Science: Der „trans-Klassifikator“

Aus der Rubrik „american scientists have found out“: „Brain Sex in Transgender Women Is Shifted towards Gender Identity„. Übersetzt: „Das Gehirngeschlecht(1) von trans Frauen tendiert eher zu ihrer Geschlechtsidentität“.

Ach du große Neune! Das Ding qualifiziert sich nicht nur als bad science, sondern meiner Ansicht nach deshalb auch als extremely dangerous science.

Um’s mal kurz zu fassen: Wenn ich das richtig gelesen habe, haben sie ein neuronales Netz, also das was landläufig als „KI“ bzw „machine learning“ bezeichnet wird, mit MRI-Bildern(!) aus einem offenen Datensatz (also von extern) von 242 cis Männern und 305 cis Frauen trainiert, so dass es anhand der Bilder das parallel dazu trainierte Geschlecht ausgeben konnte.

Das ist noch keine Kunst, denn auf welche Merkmale das Netz anspringt ist nicht klar(2). D.h. es ist ganz wichtig zu wissen, dass dieses Netz nicht „das Geschlecht“ erkennt, sondern nur, ob es zu einem Bild mal gelernt hat, was es dazu antworten soll. Die Antworten sind auch quasi nie 100%ig, sondern Schätzwerte („zu 80% sicher, dass die gewünschte Antwort ‚weiblich‘ sein könnte“).

Danach haben sie MRI-Bilder von je 24 cis Männern, cis Frauen und trans Frauen gemacht und dem Netz vorgelegt. OK. Das Netz „klassifizierte“ dann laut Aussage im Artikel die „trans Bilder“ als „leicht verschoben in Richtung weiblich“. D.h. die Schätzwerte, s.o., lieferten eine solche Tendenz.

Daraus lässt sich aber nicht die Aussage im Titel des Papers ableiten!

Erst mal der gesammelte methodische Unfug:

  • 24 ist keine hinreichende sample size.
  • Es ist nicht klar, was genau das Netz eigentlich als „male“ oder „female“ einordnet.
  • Die Streuung und die Überlappung der samples ist riesig.
  • Es ist nicht mal klar, was genau die Bilder eigentlich zeigen. Offenbar sind es statische Aufnahmen von Hirnstruktur, keine funktionale Dynamik.

Dann der neurologische Unfug:

  • Die trans Frauen waren zwar vor der HET, aber sich offenbar selbst sicher in ihrer Identität, sonst hätten sie sich wohl nicht zur Teilnahme gemeldet und wären auch ausgewählt worden. D.h. sie orientieren sich im Alltag wohl eher an „weiblichen“ Stereotypen. Das bedeutet auch, dass sich ihr Hirn entsprechend anpasst(3) – an was auch immer.
  • Von den cis Trainingsdaten ist der Hintergrund unbekannt, also zB Bildung, etc. Auch nicht, ob sie sich definitiv als cis einordnen. Es könnte also gut sein, dass das Netz zum Beispiel auf minimale Unterschiede in den Alltagsbeschäftigungen reagiert, wie bei den Taxihirnen(3).

Und daraus folgt das gefährliche: Irgendein Heiopei der stable genius Klasse Korte kommt sicher auf die Idee, daraus einen generellen trans Klassifikator machen zu wollen, mit dem dann zukünftig „objektiv“ die transness gemessen wird. Dann muss der MDK nur noch in die BGA schreiben, dass ab Transfaktor 0,6 dieses übernommen wird und ab 0,8 jenes, aber wenn es bei deinem Hirn leider nur 0,5 trans oder weniger misst, bist du leider raus, du Fake.

Und das ganze durch eine minimale statistische Abweichung in einer Pixelbeurteilung, von der völlig unklar ist, was genau die eigentlich klassifiziert.

Zu trans und MRI schaut zum Beispiel mal diese beiden Videos.

MaiLab: „Weibliches vs. Männliches Gehirn“ und „Die Wissenschaft hinter Transgender„.

Die machen zusammen mit der wissenschaftlichen Diskussion (in den Links) sehr schön klar, wo allein die wissenschaftliche Problematik liegt. Naja, und die möglichen gesellschaftlichen Folgen hab ich ja beschrieben.


(1) „Gehirngeschlecht“ ist schon im Ansatz Unfug, denn was auch immer da gemessen wird, ist immer ein untrennbares Konglomerat aus Biologie, Neurologie, Psychologie und Soziologie. Die Benutzung des Gehirns verändert das Gehirn und jegliche „geschlechtlliche“ Klassifikation beruht letztlich auf soziologischen Stereotypen, die wir Geschlechtern zuordnen. D.h. wer „weiblich“ denken will, verändert das Gehirn zum „weiblichen“. Daraus ist keine Kausalität ableitbar.

(2) es gibt bei solchen ML-Sachen immer mal wieder Überraschungen. Bei Bildern als Trainingsgrundlage bspw minimale, für Menschen nicht erkennbare HIntergrundmuster oder Kennzeichen. Die „KI“ achtet nicht auf die Sachinfo, wie es ein menschliches Bewusstsein tun würde, sondern bewertet reine Pixel.

(3) MRI Scans von Taxifahrys zeigen ein „Taxifahrgehirn“. Die Leute kommen aber nicht damit auf die Welt, sondern das Hirn wird durch Übung dazu. Eine Klassifikation vorher, ob eine Person ein Taxifahrgehirn hat, wird notwendigerweise scheitern. Das wäre also ein vollkommen untauglicher Test auf Taxifahr-Eignung, genauso wie ein MRI-Bild ein untauglicher Test auf „transness“ ist. Mit oder ohne „KI“.

Die Menschen hinter den Sternchen

Auszug aus einem Vortrag vom November 2021 zum Thema „gendern“.

Bei all den Diskussionen über „*“, „_“ und „:“ werden häufig die Menschen übersehen, um die es geht. Mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben, welche Ausgrenzungen eigentlich abgebaut werden sollen und wie absurd einige Gewohnheiten und Annahmen sind, bei denen die Sprache nur ein Schritt zur Sichtbarmachung ist.

Zu einem Thementag „Gendern“ habe ich deshalb einen 12-minütigen Schnellkurs zu den Menschen hinter den Sternchen (TIN1) gegeben.

Das Video kann hier gesehen werden: (Link). Leider ist es noch nicht untertitelt, so dass die Audiospur unerlässlich ist. Das Video steht unter Creative Commons Lizenzvertrag.


1) TIN; trans, inter, nicht-binär – und ein bisschen „divers“.

„Welche Privilegien?“

Cis-binäre Normalitäten

Menschen nehmen häufig nicht wahr, welche Hindernisse und Probleme sie nicht haben, weil die Welt quasi „wie für sie gemacht ist“, nämlich für cis1-binär1-dyadische1 (und natürlich2 auch weiss, abled, autochton, hetero, usw.), oft „die Mehrheit“ genannt.

Falls du zu dieser Mehrheit gehörst, kannst du im folgenden mal schauen, welche Privilegien du im Vergleich zu trans, nicht-binären, inter und queeren Menschen geniesst. Nein, das gibt Dir keine Vorteile innerhalb der Mehrheit, aber im Gegensatz zu „uns“ brauchst du keine Energie zusätzlich aufzuwenden.

Entscheidend dabei ist, dass diese Privilegien ausschliesslich darauf beruhen, wie du „gelesen“ wirst, also wie andere dich einsortieren. Die Probleme und Diskriminierungen entstehen nicht dadurch, wie eine Person ist, sondern wie andere handeln.

Falls du wissen möchtest, welche Aufwände und Widerstände „wir“ zusätzlich haben, empfehle ich die „kleine Liste von Regeln und Hürden für binäre und nicht-binäre trans Personen„.

Alltagstätigkeiten

  • Du kannst öffentliche Einrichtungen wie z.B. Toiletten und Umkleiden bei Sport und im Kaufhaus benutzen, ohne Angst vor Anstarren, Beschimpfungen, Beklemmungen, „Falsch hier“ Bemerkungen, verbaler und/oder physischer Gewalt, Problemen mit Ordnungpersonen. Du kannst einfach aus einer Laune heraus mit deinen Freund•innen unterwegs sein und weißt, dass es Toiletten gibt, die du nutzen kannst.
  • Du kannst Kleidung, Schuhe, Accessoires kaufen, ohne dass dir der Service verwehrt wird, die Verkäufer•innen sich über dich lustig machen oder du nach deinen Genitalien befragt wirst. Das Angebot enthält ausreichend Auswahl in passenden Größen.
  • Du kannst relativ unaufällig durch die Welt laufen. Du wirst nicht andauernd angestarrt, es wird nicht über dich getuschelt, auf dich gezeigt oder über dich gelacht aufgrund deines geschlechtlichen Ausdrucks. Insbesondere brauchst du wegen deines geschlechtlichen Ausdrucks keine Gewalt zu befürchten.

Behörden und Institutionen

  • Du kannst in Formularen dein Geschlecht bzw. deine Anrede auswählen. Niemand widerspricht deinen Angaben.
  • Niemand bewzeifelt deine Ausweispapiere oder verweigert dir deswegen Dienstleistungen in Krankenhaus, Bank, Post oder anderen Institutionen. Du hast keine Beklemmungen, sie vorzuzeigen.
  • Du kannst davon ausgehen, dass du einen Job bekommst, eine Wohnung mieten kannst oder einen Kredit aufnehmen, ohne dass dir dies aufgrund deiner Geschlechtsidentität/-ausdrucks abgesprochen wird.
  • Du kannst dich bei Sportvereinen anmelden und dich dort Gruppen, Teams oder Ligen zuordnen. Deine Zuordnung wird nicht in Frage gestellt.
  • Sicherheitskontrollen bereiten dir keine Sorgen, aufgrund deiner geschlechtlichen Identität oder deines Körpers falsch behandelt zu werden
  • Falls du Kinder hast bist du in den Geburtsurkunden mit dem richtigen Namen und Geschlecht eingetragen. Kitas und Schulen erkennen deinen Status und Elternschaft problemlos an.

Medizin

  • Deine Identität wird nicht in medizinischen Katalogen geführt (z.B. ICD 10 „gender identity disorder“)
  • Du musst dich keiner umfassenden psychologischen Einschätzung unterziehen, um grundlegende medizinische Versorgung zu erhalten.
  • Du kannst davon ausgehen, dass Mediziner•innen sich mit deinen Themen auskennen und du angemessene Behandlung bekommst.
  • Die Organisation von Praxen, Krankenhäusern und Rettungsdienst kann dich problemlos unterbringen.

Rechtfertigung und Existenz

  • Du musst deine Eltern / Familie nicht von deinem Geschlecht überzeugen und•oder dir erst die Liebe und den Respekt deiner Eltern und Geschwister neu verdienen.
  • Du musst niemanden andauernd daran erinnern den richtigen Namen und die richtigen Pronomen zu verwenden.
  • Du kannst annehmen, dass alle, die du triffst deine Geschlechtsidentität verstehen und nicht denken, du seist verwirrt oder verdammt.
  • Unbekannte Menschen gehen nicht davon aus, dass sie dich nach deinen Genitalien oder deinem Sexleben fragen dürfen.
  • Unbekannte Menschen reden dich mit dem Namen an, den du ihnen sagst und fragen dich nicht nach deinem „richtigen Namen“ (Geburtsname), mit der Annahme, dass sie das Recht haben dich dann so anzureden.
  • Falls du religiös bist hat deine Religion keine Probleme mit deiner Existenz, deiner Identität, deiner Sexualität oder Familienleben.

Repräsentation

  • Du fühlst dich bei allgemeinen Anreden und Anschreiben jeweils mitgedacht und angesprochen.
  • Du findest Vorbilder und Vordenker•innen mit deiner Identität, denen du nacheifern kannst.
  • In Fersehen, Filmen und Büchern werden Menschen deines Genders richtig dargestellt und deine Geschlechts-Identität nicht lediglich in den Fokus gerückt, wenn es um dramatische Handlungen oder Pointen in einem Witz geht
  • Dokumentationen bezüglich deines Genders bezweifeln nicht deine Existenz, deine Berechtigung so zu leben, deinen Anspruch auf Teilhabe und Respekt. Sie stellen dich nicht als Krankheitsbild oder exotische Kuriosität dar
  • Dein Gender wird in Statistiken und Umfragen berücksichtigt

Beziehungen und Sexualität

  • Wenn du eine Person datest, kannst du davon ausgehen, dass sie dich nicht als Kuriosität oder Fetisch ausgesucht hat (z. B. nur um einmal Sex mit einer trans Person gehabt zu haben).
  • Du kannst Orte und Veranstaltungen betreten, die nur für ein binäres Geschlecht sind und wirst nicht aufgrund von trans sein ausgeschlossen. Du musst nicht verteidigen auch Teil von „Queer“ zu sein. Schwule und Lesben werden nicht probieren dich auszuschließen von „ihrem“ Kampf um gleiche Rechte, aufgrund deiner Geschlechtsidentität.
  • Du kannst flirten, unverbindlichen Sex haben oder jede Art von Beziehung eingehen ohne zu fürchten, dass du aufgrund deines biologischen Status’ zurückgewiesen oder attackiert wirst, noch wird es deine•n Partner•in dazu bringen seine•ihre sexuelle Orientierung infrage zu stellen.
  • Wenn du Opfer eines Verbrechens wirst, wird dein geschlechtlicher Ausdruck nicht als Rechtfertigung genutzt („gay panic“, „trans panic“), noch als Grund die Täter•innen zu entschuldigen.
  • Deine Glaubwürdigkeit als Mann•Frau•Mensch hängt nicht davon ab, wie viele Operationen du hattest oder wie gut dein Passing3 ist.
  • Du wirst auf der Straße nicht als Sex-Arbeiter•in aufgrund deines geschlechtlichen Ausdrucks eingeordnet.
  • Du kannst weiterhin behaupten, dass Anatomie und Geschlecht unumstößlich miteinander zusammenhängen, wenn du mit Kindern darüber redest, anstatt die Komplexität des Themas zu erklären.

1) cis, binär, dyadisch sind das Gegenstück zu trans, a_binär und inter, also Menschen, die mit ihrem bei Geburt zugeordneten Geschlecht zufrieden sind, eindeutig Mann oder Frau sind und körperlich „eindeutig“, was Geschlechtsmerkmale angeht.

2) Viele der Benachteiligungen, Diskriminierungen und Anfeindungen sind übergreifend, d.h. für verschiedene Merkmalsgruppen ähnlich. Ausserdem können Menschen mehrfach betroffen sein, zum Beispiel wenn sie als trans / queer und nicht-weiss o.ä. gelesen werden.

3) „Passing“ (engl. „durchgehen“, „(Test) bestehen“) bedeutet, von anderen äusserlich „richtig“ einsortiert zu werden, also als „Mann“ oder „Frau“, so wie du selbst dich identifizierst. Nicht-binäre Personen können quasi nie „passen„, weil die meisten Menschen gar nicht auf die Idee kommen, weder Mann noch Frau vor sich zu haben.

Linkliste: Broschüren und Sachinfos

Damit ich nicht immer die gleichen Links raussuchen muss  ☺️ Diese Liste wird gelegentlich erweitert und hoffentlich auch gepflegt. Anregungen wilkommen.

Quellen

  • Bundesverband Trans: https://www.bundesverband-trans.de/publikationen/
  • dgti: https://dgti.org/

Basisinfos und Beratung

  • „Trans* ganz einfach – im Job, in der Familie, auf Klassenfahrten – Praxisnahe Infos für Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte“ (BV Trans) (Link)
  • „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden? – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit“ (BV Trans) (Link)
  • „Trans* mit Kind! – Tipps für trans* und nicht-binäre Personen mit Kind(ern) oder Kinderwunsch“ (BV TRans) (Link)
  • „Leitfaden Trans* Gesundheit“ (BV Trans) (Link)
  • „Trans*feindliche Mythen – Einige Richtigstellungen“ (transinterqueer) (PDF)
  • „Infos zur Hormon-Therapie für trans* & nicht-binäre Menschen – Orientierungshilfe für eine aufgeklärte Entscheidung“ (transinterqueer) (PDF)

Selbstbestimmungsgesetz – Materialsammlung zur Diskussion

Frühjahr 2022. Seit die Ampel-Koalition angekündigt hat, das TSG abzuschaffen und ein Selbstbestimmungsgesetz einzuführen, mobilisiert die Gegenseite mit allerlei Behauptungen, die bestenfalls übertrieben, eigentlich aber reine Phantasie sind (merke: Ja, ich bin voreingenommen ?).

Diese Phantasiebehauptungen schaden trans Personen, ganz unabhängig vom Selbstbestimmunggesetz.

Hier eine Sammlung von Informationen, sachliche, rechtliche, wissenschaftliche, die diese schädlichen Mythen widerlegen. Im Laufe der Diskussion wird die Sammlung erweitert.

Sollte ein Link nicht mehr funktionieren bitte Bescheid geben (jaddy(at)enby-box.de). Ich habe PDF-Versionen der Texte gesichert.

Selbstbestimmungsgesetz

  • Gesetzentwurf GRÜNE 2020 (PDF)
  • Gesetzentwurf FDP 2020 (PDF)
  • „Soll Geschlecht jetzt abgeschafft werden? – 12 Antworten auf Fragen zum Thema Selbstbestimmungsgesetz und Trans*geschlechtlichkeit“ (BV Trans) (Link)
  • „Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetz (TSG)“ (LSVD) (Link)
  • „Trans*feindliche Mythen – Einige Richtigstellungen“ (transinterqueer) (PDF)
  • „Trans*: Hype der Gender-Ideologie und Gefahr für Kinder und Jugendliche?“ (LSVD) (Link)

Basisinfos Trans und Stand der Wissenschaft

  • „Trans* ganz einfach – im Job, in der Familie, auf Klassenfahrten – Praxisnahe Infos für Angehörige, Freund*innen und Fachkräfte“ (BV Trans) (Link)
  • „Die Sache mit dem Geschlecht“ (fluter, Heinz-Jürgen Voß) (Link)
  • „Detransition im Spannungsfeld der öffentlichen Debatte; Berichte von und über Personen, die eine Transition anhalten oder in eine neue Richtung entwickeln, häufen sich. Doch wie viele Menschen wünschen sich tatsächlich eine Detransition? Was sind Gründe dafür? Was bedeuten diese Erzählungen für die Gesundheitsversorgung von trans* Personen?“ (Regenbogenportal) (Link)

Medienbeiträge

  • Lila Podcast: „Trans sein und Feminismus: Hintergrund und Diskussion zum Selbstbestimmungsgesetz – mit Tessa Ganserer, Katja Husen, Hagen Löwenberg und Leah Oswald – Was ist das Selbstbestimmungsgesetz? Warum ist es wichtig und wer will es verhindern? Warum sind manche Feministinnen dagegen – sogenannte TERFs – und wie begegnet man deren Argumenten? Was sind die aktuellen Erkenntnisse aus Biologie & Psychologie?“, (Link)

Zu einzelnen Personen

Rezensionen zu A.Schwarzer

  • „9 Kritikpunkte an Alice Schwarzers gefährlichen und falschen Thesen zu „Transsexualität“ (LSVD) (Link)
  • „Dieses Buch schadet trans* Personen! Alice Schwarzers neues Buch verbreitet Menschenfeindlichkeit!“ (BV Trans) (Link)

Selbstbestimmungsgesetz. Will ich das?

Update: Antworten werden unten angehängt und kommentiert

Auf Twitter äusserte ich die Hoffnung, dass das Selbstbestimmungsgesetz in 2022 endlich Realität wird und bekam darauf folgende DM:

Ein Hoch darauf, dass Frauen dann keine Schutzräume mehr haben, in ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden und der Frauensport zerstört wird? Dass Statistiken in Wissenschaft, Medizin und Kriminalität verfälscht werden? Sicher, dass du das willst?

Meine Antwort

Die Bedenken kenne ich und kann ich nachvollziehen bei jenen, die wenig praktische Erfahrungen mit trans Personen haben (bzw sie als trans Personen (er)kennen). Die Erfahrungen aus Ländern mit einem solchen Selbstbestimmungsgesetz zeigen aber, dass die Befürchtungen in der Praxis unbegründet sind. Also zum Beispiel Dänemark, Schweden, Malta, Irland, Island, Uruguay, Argentinien.

tl;dr ein geänderter Personenstand nützt dir nix, um irgendwo einzudringen oder Unfug zu machen. Brauchst du schlicht nicht, macht höchstens tierisch Aufwand und reichlich Folgeprobleme. Die einzigen Vorteile sind richtiger Name und Anrede und dadurch ein gutes Gefühl (für trans Personen).

Mal im Detail:

Zu allererst ist wichtig, was ein Selbstbestimmungsgesetz, wie 2020 von Grünen und FDP jeweils vorgeschlagen, eigentlich regelt und was nicht: Den standesamtlichen Geschlechtseintrag im Personenstand und optional die Vornamen. Sonst nichts. Keine Privilegien, keine rechtlichen Vorteile, keine Eintrittskarte irgendwo.

In Schutzräumen gilt wie überall Hausrecht, und diejenigen, die es ausüben haben eh schon Erfahrung damit, mit Personen unterschiedlicher Vulnerabilität umzugehen und die verschiedenen Bedürfnisse auszugleichen. Ich kenne trans Personen im betreuten Wohnen, wo das mit etwas gutem Willen gut funktioniert hat, aber auch Personen, die im Krankenhaus mit dem Bett auf dem Gang standen, weil es kein „passendes“ Zimmer gab. Das ist also eher eine Frage der Ausbildung und Möglichkeiten des Personals dort.

Dass es generell zu wenig Schutzräume gibt ist völlig klar. Die Betroffenen gegeneinander auszuspielen, bzw die einen einfach untern Bus zu werfen, ist aber keine Lösung.

Bei privaten Versammlungen, Veranstaltungen und Orten wie Frauencafés etc gilt ebenso Hausrecht, wie in jedem Club, jedem Lokal und jedem Verein. Ob du da mit einem anderen Namen im Ausweis auftauchst ändert in der Praxis nichts daran, ob du rein kommst und drinnen bleiben darfst[1].

Ganz realistisch wird kein Gewalttäter das Selbstbestimmungsgesetz in Anspruch nehmen, um in Frauenräume einzudringen. Es lohnt einfach den Aufwand nicht, benötigt viel zu viel Vorarbeit und Folgekosten, um zum Beispiel erstmal Papiere auf einen neuen Namen zu ändern, etc., um dann in der Praxis keinen messbaren Effekt zu haben.

Der offizielle Personenstandseintrag ist im täglichen Leben quasi ohne Belang. Ich sage das als nicht-binäre trans Person mit dem Eintrag „divers“ seit 2019. Ich muss überall darauf hinweisen und habe ausser der Geburtsurkunde keinerlei Nachweis (steht ja nicht im Perso oder so). In der Praxis werde ich in jedem Fall optisch einsortiert und entsprechend unterschiedlich akzeptiert und behandelt. Das wäre mit jedem anderen eingetragenen Personenstand genau das gleiche. Du kannst als trans Person höchstens beschweren, klagen, was weiss ich, aber wenn die Leute nicht wollen, hast du keine Handhabe.

Das heisst, wer in böser Absicht irgendwo eindringen will, braucht keinen neuen Personenstandseintrag, sondern eher optisches Passing und passende Manierismen, Stimme, usw. Das erfordert den immensen Aufwand einer körperlichen Transition. Ich sage dir aus eigener Erfahrung: Das macht kein Mensch „mal eben so“. Wer es auf Gewalt gegen Frauen anlegt, hat dazu – leider – massiv viele andere Gelegenheiten mit minimalem Aufwand (und ohne sich amtlich als Frau eintragen zu lassen; hallo Männlichkeitsbild).

Dieses männliche Selbstbild verhindert auch, dass sich Männer über geänderten Personenstand anderswo Vorteile verschaffen. So mies es klingt, es hängt an der immer noch in den Köpfen existierenden Hierarchie: Männer oben, Frauen darunter – und nicht-binäre Personen generell ausgeblendet. Also welcher cis-männliche Sportler würde sich per Selbstbestimmungsgesetz einen weiblichen Personenstand holen, um dann Preise abzuräumen, nur um dann den Spott seiner männlichen Kollegen zu riskieren, dass „es wohl bei den Männern nicht gereicht hat“? Welcher cis-Mann würde sich einen Posten per „Frauenquote“ holen und dann in der Firma/Amt arbeiten? Machen wir uns nichts vor: Diese hierarchische Denke steckt letztlich dahinter und der soziale Druck regelt.

Statistiken… sind eh problematisch, weil sie in der Regel cis-binär gebaut werden und nicht klar ist, nach was genau sie eigentlich differenzieren wollen. Chromosomen? Körperliche Erscheinung? Amtlicher Personenstand? Selbstverortung? Und zu welchem Mehrwert an Erkenntnis?

Die Frage ist zum Beispiel bei Kriminalstatistiken, welche Taten überhaupt einen Bezug zu bestimmten geschlechtlichen Aspekten haben. Wo ist welches Merkmal entscheidend für Opfer und Täter•innen?

In der Medizin muss eh noch mal anders gearbeitet werden, nämlich nicht pauschal, sondern anhand der für den Fall relevanten Parameter. Geht es um Chromosomen, Organe, Hormone? Ich hab zB das Thema mit der Gesundheitskarte. Da steht ein X für meinen standesamtlichen Personenstand drauf und die Kasse geht nach diesem, nicht nach meinen körperlichen Bedürfnissen. Folge: Ich bekomme keine automatischen Vorsorgeuntersuchungen, obwohl ich eigentlich mehr und andere als früher brauche. Auch wo mein Körper nach der Hormonumstellung jetzt eigentlich anderes tickt ist eine ständig offene Frage[2].

Letztlich ist aber der Fehlerfaktor in Statistiken durch Menschen mit geändertem Personenstand gegenüber der normalen Unschärfe und Fehlern vernachlässigbar, dass wird jede•r Expert•in bestätigen. Sprich: Trans Personen fallen mangels Menge statistisch einfach nicht ins Gewicht[3].

Aktuelle Studien zur Häufigkeit[4] gehen in Richtung 1-3% Menschen, die im weitesten Sinne mit ihrem Zuweisungsgeschlecht Probleme haben. Ein Drittel davon ordnet sich nicht-binär ein. Es ist völlig offen, wie viele davon ihren Eintrag ändern lassen würden, wenn das in D nicht mehr 1500-2000€ kostet und zwei ziemlich invasive, Intimsphäre verletzende Gutachten braucht, die nachweislich gar nichts feststellen können, ausser vielleicht die Fähigkeit, Stereotypen „vortanzen“ zu können.

Fazit: Die Befürchtungen verstehe ich, aber sie sind nach den Erfahrungen aus anderen Ländern unbegründet und eventuelles Missbrauchspotenzial in der Praxis gleich Null. Es gibt potenziellen Missetätern einfach keine Vorteile sondern eher Aufwand und Nachteile. Stattdessen können sie sehr viele andere Gelegenheiten nutzen. Schutzbereiche können mit bereits etablierten Methoden gesichert werden. Und der statistische Faktor fällt in der Masse einfach nicht ins Gewicht.


[1] Tatsächlich haben sehr viele trans Personen erhebliche Ängste, in gegenderte Räume zu gehen. Aslo in Toiletten, Umkleiden, usw.

[2] Ein Arzt meinte, ich hätte Eisenmangel, dabei hatte er nur in die falsche Referenztabelle geguckt. Bei der Covid-Schutzimpfung war unklar, in welche Risiko-Kategorie ich falle. Wären meine Symptome für Herzinfarkt eher typisch männlich oder typisch weiblich?

[3] Die Betreuung von trans Personen leidet massiv unter einem Mangel an qualitativ guten Studien, einfach weil nirgendwo eine solide Anzahl von Teilnehmenden zustande kommt. Hormonumstellung ist guess work, usw

[4] s. die [S3-Leitlinie](https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/138-001.html) „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit“


Gegenargumente, die keine sind

Es gab eine Antwort mit einigen Punkten, wo offenbar einiges missverstanden worden war. Hier die Argumente in Zitaten und meine Antworten dazu.

Das Hausrecht soll nirgends mehr gelten. Jeder wird wg. des geplanten Gesetzes mit  einem Bußgeld belegt, wenn er jemanden aufgrund des Geschlechts nicht reinlässt: Frauen-vereine, -stammtische, -umkleiden,  WCs, -quote, Arbeitsplätze etc.

Dazu der Verweis auf die Passagen Ordnungswidrigkeiten der Gesetzentwürfe von FDP und Grünen. Großes Missverständnis. Hier die beiden Wortlaute:

Gesetzentwurf der FDP
Gesetzentwurf der Grünen

Die Ordnungswidrigkeiten beziehen sich ausschliesslich darauf, dass die früheren Namen und Personenstände nicht ohne Zustimmung genannt, also „offenbart“ werden dürfen. Das heisst misgendern, „hiess früher mal soundso“, „war mal …“, etc. könnten dann auf Anzeige mit einem Bussgeld belegt werden. Damit haben Personen eine Handhabe gegen Behörden, Firmen und andere, die sie outen.

Falsch ist außerdem Deine Behauptung, man müsse Hormone und/oder Chirurgie anwenden. Du kannst mit Vollbart, mit Penis und Hoden, ohne irgemdetwas an Dir modifiziert zu haben, zum Standesamt gehen und dein Geschlecht ‚ändern‘. Wegen des Bußgeldes von bis zu 2.500 Euro riskiert niemand mehr eine Nachfrage, was übersetzt bedeutet: Jeder, absolut jeder Mann, kann ungehindert in Schutzbereiche für Frauen. Kann man sehr schön im Ausland sehen, dort geschieht genau das.

Das mit Hormonen habe ich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt. Nein, für die Personenstandsänderung braucht es auch jetzt schon keine körperlichen Modifikationen. Das hat das BVerfG 2011 aus dem TSG ausgeschlossen (BVerfGE v. 11.1.2011 I 224 – 1 BvR 3295/07).

Allerdings ging es da nur um die Zwangs-Sterilisation für eine Personenstandsänderung. Auch nach TSG brauchte es (bis 2011) keine Hormone, sondern „nur“ eine Genital-OP, um zeugungs- bzw gebärunfähig zu sein.

Grund dafür: Das TSG von 1981 wollte damit und mit der Zwangsscheidung um jeden Preis verhindern, dass trans Personen „durch die Hintertür“ eine gleichgeschlechtliche Ehe womöglich mit Kindern haben können. Das hat sich seit der „Ehe für (fast) alle“ 2017 eh erledigt.

Was ich mit der Passage meinte: Um sich als cis Mann o.ä irgendwo einzuschleichen, braucht es keinen Personenstand sondern viel eher physische Verkleidung – und das dürfte schnell auffliegen.

Ein Grüner hat den Grünen bei einem Parteitag vorgeführt, wie der Sprechakt in der Realität funktioniert. Es haben Zeitungen darüber berichtet.

Ja. Hat er. Er hat sich als Frau bezeichnet und mit dieser Begründung auf einen (quotierten) Frauenplatz setzen lassen. In der „Emma“ hat er dazu einen Artikel geschrieben.

Er wurde nicht gewählt. Kurz danach wurde er aus seiner Stellung als Mitarbeiter einer grünen Landtagsabgeordneten gekündigt.

Das Beispiel zeigt eigentlich genau, was ich meine: In der Realität regelt sich das sehr pragmatisch, bzw wie der eine Kommentar sagt: „Aber das Wahlergebnis habe gezeigt, meint sie, dass die Partei gute Schutzmechanismen habe und nicht einfach irgendwelche Männer gewählt würden“.

Natürlich war die Aktion „Scheisse“. Weil sie ein fiktives Problem deklariert, aber ein reales ausblendet, nämlich wie in der Realität mit trans Personen umgegangen wird: Ein geänderter Personenstand nützt dir in der Praxis gar nichts. Weder um irgendwo rein zu kommen, noch um irgendwo gewählt zu werden – und auch nicht, um als reale trans Person respektvoll behandelt zu werden.

„Gendern“ op platt

Plattdüütsch („Plattdeutsch“) war in weiten Teilen Norddeutschlands die Standardsprache und sogar eine der Hauptsprachen der Hanse. Über die Wanderungsbewegungen ist es mit Englisch und Niederländisch verwandt. Beim Thema „gendern“ ist es viel einfacher als Hochdeutsch.

Plattdüütsch kennt statt „der, die, das“ nur zwei bestimmte Artikel: „de“ (f,m) und „dat“ (n). Wie im Englischen heisst es „de Mann, de Vro (Frau), de Jong (Junge), de Deern (Mädchen)“ (aber „dat Kind“).

Statt „ein, einer, eines, man“ gibt es nur den unbestimmten Artikel „een“, verwandt mit engl. „one“ und sehr ähnlich benutzt: „Dat kann een so moken“, „Das kann man so machen“.

Een ist sehr praktisch. „Niemand“ wird zum Beispiel wie engl. „noone“ zu „keen een“ („keinein“). „Jemand“ ist auch „een“. „Kann mi dat mol een verklaren?“ – „Kann mir das mal jemand erklären?“.

Der Twitter-Account „De Plattfoorm“ (@plattfoorm) hat es in einer Infografik zusammengefasst:

Übersetzung

Gendern auf Platt – So geht das!
1. Teil: Mit Pronomen arbeiten
Neben den zwei geschlechtlichen Pronomen „se“ („sie“) und „he“ („er“) kennt Platt auch „de“ und „een“, die immer gehen (funktionieren).
Beispiel: „Ich kenne einen/eine, der/die betrügt“ -> „Ik kenn een, de betrüggt“.
(Also viel einfacher!) Also gern de|een sagen, und man eins braucht kein Gender zu markieren.

Problem: „de“ wird „den“ nur für Maskulina im Objektfall (Akkusativ):
„De Mann schrifft den Breev“ („Der Mann schreibt den Brief“)
„De Mann süüt de Vro“ („Der Mann sieht die Frau“)
Lösung: Doppelform oder Genderzeichen – de*n | de:n | den oder de (1)
„Wanneer kann ik de*n | de:n | den oder de denn anropen?“ (Wann kann ich den_die | den oder die denn anrufen?“)

Nebensätze statt Personalformen auf -er | -sche:
„een, de“ („eine*r, der*die“)
„de, de“ („der*die, der*die“)
„Lüüd, de“ („Menschen|Personen|Leute, die“)

„Koch oder Köchin“ – „Ein*r, der*die kocht | in der Küche arbeitet“
„Politiker*innen“ – „der*die, der*die regiert | in der Politik ist|sind“
„Reisende“ – „Leute|Menschen|Personen, die auf der Reise sind“

Das ist typisch Plattdeutsch und braucht trotzdem keine Änderung zum Gendern.

(1) Stern, Unter-, langen, schrägen Strich, Doppel, Mittel oder normalen Punkt – Hauptsache gendern!

Links:
Wörterbücher: [ndr.de], [platt-wd.de], [neustädter-schuetzengilde.de], [ats-group.de]
[wikipedia op platt]
[plattdüütsche Grammatik en WIki verklart op platt]
[Plattdeutsche Grammatik]