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Zwei Fragen zu §45b und medizinischen Maßnahmen für nicht-binäre Menschen
1. Wie wird das entschieden ob man körperlich männlich, weiblich oder weder noch ist? Durch die Hormone bin ich ja streng genommen auch nicht körperlich m oder w einzuorden
2. Bekommt eins als nicht-binär GaOp? Oder Hormone?
„Also“, sprach de Großelter und nippte an ens Tee, „das ist so:“
(Disclaimer: Ich bin weder Juristy, noch Mediziny)
Das Gesetz spricht nur von „Variante der Geschlechtsentwicklung“ (VdG). Das ist aber kein definierter Begriff. Weder rechtlich, noch medizinisch. Deshalb haben „sie“ (das Bundesinnenministerium, BMI) in die Begründung zum Gesetz – die ist Teil des Gesetzentwurfs, der dem Parlament vorgelegt wird – hineingetextet, dass VdG sich auf den „Chicagoer Konsens“ beziehen soll.
Dieser Konsens-Katalog wurde 2005 von einem Kongress hauptsächlich US-amerikanischer Kinderärztys(!) festgelegt und umfasst nur Varianten der Gonaden (Hoden, Eierstöcke), Genitalien oder Chromosomen. D.h. er beinhaltet zB nicht etliche hormonelle Varianten, die erst später testbar werden.
Das ist also eigentlich bullshit, selbst wenn nur alle inter Personen gemeint werden sollten.
Anyway, steht so in der Begründung.
Es steht nicht im Gesetz selbst, denn das wäre wohl sofort per BVerfG abgeräumt worden, siehe unten.
Weil es aber nicht im Gesetzestext selbst steht, also in den Paragraphen (45b PStG), weiss das Standesamt das genau genommen nicht, bzw. muss sich nicht so wirklich drum kümmern. Da wird Juristerei interessant *smile*
Das StA muss sich an den Buchstaben der Paragraphen halten, beziehungsweise an gerichtliche Beschlüsse. Sonst nichts. Auch keine „Rundschreiben“ des Innenministeriums. Als Landesbehörden schon mal gar nicht.
Deshalb können sie, wenn sie nett sind, ins Gesetz gucken und sagen „ich will nur eine ärztliche Bescheinigung, dass bei dieser Person eine ‚Variante der Geschlechtsentwicklung‘ vorliegt. Und wenn das drauf steht, ist das wie und warum nicht mehr meine Sorge“.
Sprich: Das StA darf/muss sich nicht um die medizinischen Details kümmern (weil weder kompetent, noch verpflichtet) und die Ärztys müssen sich nicht um die rechtlichen Details kümmern. Höchstens sollten sie eine plausible Begründung parat haben, weshalb diese Person ihrer medizinischen Anscicht nach eine VdG aufweist.
Und da hat Manfred Bruns (LSVD) damals argumentiert, dass eine wie auch immer geartete trans Geschichte, binär oder nicht-binär, völlig ausreichend sei, denn – wichtiger Punkt: Das BVerfG und sämtliche kompetenten Verfassungs- und Personenstandsjuristys sind sich einig, dass der Personenstand im Register sich auf die gelebte soziale Rolle bezieht und nicht auf die körperlich/medizinische Konstitution. (Siehe dazu auch das Gutachten von Mangold et.al. (PDF))
Deshalb hat das BVerfG ja auch die Zwangssterilisation aus dem TSG rausgeschossen.
Und zum Thema Hormone und OPs:
* technisch/medizinisch: ja,
* bezahlt von den Kassen: schwierig.
Die Medizinys wollen normalerweise eine Absicherung, dass die Behandlung notwendig ist. D.h. in der Regel psychologische Indikation mit Behandlungsempfehlung. Nur damit sie später nicht haftbar gemacht werden können, weil da eins gerade in einer schwierigen Phase war und sich eine nicht hilfreiche Lösung ausgedacht hatte. (Ausnahmen sind gewisse Endos, die sich von überzeugenden Leuten gewissen Alters beeindrucken lassen, die offenbar gut informiert, mit supportiver Partnerperson und Historie der Selbstmedikation auftauchen *flöt*)
Technisch darf jedes Mediziny mit Zulassung für einen Rezeptblock Hormone und alle anderen Medikamente verschreiben. Das ist sogar so irrwitzig, dass sie alles, was nicht direkt der Heilung dient verschreiben dürfen, solange sie fach- und sachgerecht („nach allen Regeln der Kunst“) darauf achten, dass es nicht schadet.
Normalerweise übernehmen Kassen bei Hormonen auch die Abrechnungen einfach. D.h. da braucht es keine Bewilligungen.
Bei OPs und anderen non-standard Leistungen wird’s knifflig mit den Kassen. Als nicht-binäre Person fällt eins aus dem System, das da heisst Begutachtungsanleitung (BGA) des MDK. Diese BGA haben sich die Kassen und ihr beauftragter Dienst selbst gegeben, in Abstimmung mit dem „Gemeinsamen Bundesausschuss“(GBA) meines Wissens. Da steckt auch das Gesundheitsministerium und andere mit drin.
Die aktuelle Begutachtungsanleitung für „trans“ ist von Ende 2020 und sagt explizit, dass sie nicht für Nicht-binäre gilt.
Und das bedeutet: Einzelfallentscheidung. Gutes Therapeuty suchen, de eine sehr gute Begründung für die absolute Notwendigkeit der Behandlung schreiben kann, sich auf Ablehnung einstellen, Widerspruch einlegen, nochmal schreiben, Anwälty einschalten, mit offiziellem Briefkopf schreiben lassen, usw.
Ggf klagen.
Oder: Selbst zahlen.
¯\_(ツ)_/¯
*Zurücklehn*
Fragen? *smile*